: Petro-Dollars für den Dom
Wie mit Hilfe des Ölkaufmanns Franz Schütte der Dom saniert wurde, ist derzeit Thema im Dom-Museum. Allerdings beinhaltete die „Restaurierung“ auch sehr Phantasie-geleitete Veränderungen
Bremen taz ■ Was hat Bremen, was Hamburg nicht hat? Einen Dom – verstanden als Kirche, nicht als Volksfest. Als die Hamburger ihren mittelalterlichen Prachtbau, zuletzt als Pferdestall genutzt, 1807 abrissen, war die Bremer Hauptkirche auch in keinem besonders guten Zustand. Aber immerhin noch vorhanden und konnte so zum Objekt einer umfangreichen, wenn auch stark verändernden „Restaurierung“ werden. Die Hintergründe dieses Eingriffs sind jetzt in einer spannenden Ausstellung des Dom-Museums nachzuvollziehen, die vom Bremer Landesamt für Denkmalpflege gestaltet wurde.
Die Ausgangslage war offenbar ziemlich desolat: Der Dom war seit der Reformation wiederholt geschlossen worden, was zu seiner Verwahrlosung führte. Übrigens nicht, weil dort Katholiken praktiziert hätten, sondern die „falschen“ Protestanten: Nämlich Lutherische, während der Rat auf streng reformiertem Kurs war. Nach der Wiedereröffnung 1638 brach jedenfalls prompt der Südturm zusammen, 18 Jahre später brannte das nördliche Pendant, so dass der ganze Bau keinen besonders guten Eindruck mehr machte. 1887 wurde endlich ein Architekten-Wettbewerb ausgeschrieben, die so genannte „Dombau-Concurrenz“, 14 Jahre später war das Sanierungsprojekt abgeschlossen: Der Dom sah aus wie neu, nicht zuletzt hatte er seine Twin Towers zurückbekommen.
Möglich war dieser Kraftakt vor allem durch das organisatorische und finanzielle Engagement des Kaufmanns Franz Schütte, der im Ölgeschäft reich geworden war. Sein Erfolgsrezept: Er setzte den Transport in Tankschiffen durch – bis Mitte der 1880er Jahre war das Öl in Fässern nach Europa gesegelt worden. Als europäischer Partner von Rockefeller gründete Schütte 1890 die „Deutsch-Amerikanische Petroleum-Gesellschaft“, aus der sich später „Shell“ entwickelte. Mit anderen Worten: Ohne die Petro-Dollars sähe der Dom heute ganz anders aus. Was übrigens für halb Bremen gilt, da Schütte zwischen Bürgerpark und Bismarckdenkmal so ziemlich alles – entscheidend – förderte, was die Stadt an der Weser seiner Meinung nach „verschönte“.
Aus den 21 eingereichten Entwürfen der „Dombau-Concurrenz“ ging schließlich der junge Berliner Architekt Max Salzmann mit einem romantisch historisierenden Konzept als Sieger hervor. Schon damals wurde kritisiert: Um sich selbst zu verwirklichen, greife Salzmann rücksichtslos in den überlieferten Bestand ein. Sein Umgang mit der „Hinterlassenschaft einer großen Kunstperiode“ sei „in jedem Sinne verwerflich“, weil sie lediglich dem „Tagesgeschmack“ und subjektivem Empfinden entspringe. Dass diese Kritik der düpierte Zweitplatzierte formulierte, ändert nichts daran, dass die am Dom praktizierte schöpferische „Architekten-Denkmalpflege“ im Gegensatz zu einer streng am historischen Vorbild orientierten schon damals heftig umstritten war.
Das Problem verschärfte sich, weil die eigentlich zum Erhalt vorgesehenen Turmteile für statisch zu schwach befunden wurden, den Wiederaufbau zu tragen. Die Folge: Die heutige Turmfront des Doms ist letztlich eine „vollkommene Neuschöpfung“, wie Bremens Denkmalpfleger Georg Skalecki formuliert. In Bezug auf die innen und außen aufgestellten Skulpturen könne man von einer „fast beliebigen Neugestaltung“ sprechen, für die eine Sammlung von Gipsabdrücken aus Hannover, Berlin und Basel als assoziative Vorlage diente. Die Kreativ-Sanierung gipfelte 1901 in einer kompletten Neuausmalung. Nicht umsonst entwickelte sich das Schlagwort eines „Vandalisme restaurateur“.
Es ist das Verdienst des Denkmalamtes, das Engagement seiner ideellen Vorgänger zeitkritisch zu würdigen – und das Entstehen der heutigen Domgestalt damit transparent zu machen. Die entsprechende Ausstellung ist noch bis zum 12. März zu sehen.
Henning Bleyl
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