Jukebox

Dieser Text ist für die, die nicht wissen wie

Normalerweise sieht man auf einem Plattencover die Musiker. Im Fall der links von hier abgebildeten aktuellen Platte von Erdmöbel sehen wir eine Gruppe von, Moment äh, das sind … 31 Menschen (drin versteckt: die Gruppe). Hm, mal sehen: Kein Mann trägt einen Büroanzug, keine Frau ist besonders gestylt, weder als Managerin noch als Model verkleidet. Auf den ersten Blick sind keine Arschlöcher oder Berufspolitiker zu erahnen.

Wer sind diese Menschen und vor allem: Was haben sie gemeinsam? Außer dieses Foto. Was macht sie zu einer Gruppe?

Die WM werden wir mit denen nicht gewinnen, das steht ja wohl fest. Aber vielleicht lösen sie das Geburtenproblem in Akademikerinnenkreisen. Oder ist das, was sie eint, dass sie Grünen-Wähler sind beziehungsweise waren? Oder: Sind das vielleicht WIR?

Tja: 2006 ist das Jahr der Selbstvergewisserung. Beziehungsweise des Suchens danach. Wo ist meine Gruppe? Schlimmer: Bin ich noch, möchte ich noch Teil jener Gruppe sein, die ich für meine hielt? Das wird ganz schön hart werden für die, die ihre gedachte Zugehörigkeit verlieren oder schon verloren haben. Das meine ich nicht ökonomisch. Die einen sind in Richtung FDP unterwegs, weil sie das für provokant halten und sich Guido gerade auch ein kleines Häuschen sucht. Die anderen halten für Rock ’n’ Roll, dass Friedbert Pflüger es auf seinem Schreibtisch getrieben haben könnte. Oder wenn man bei Beckmann raucht. Die anderen halten es im Kopf nicht mehr aus, dass die in ihrer Gruppe ständig davor „warnen“, was alles Schreckliches passiert, wenn irgendjemand sich bewegt. Aber seid gewarnt, ihr: Wer sich zuerst bewegt, ist eine neoliberale Sau. So geht das Spiel der Gruppe, die man vielleicht mal verlassen könnte 2006. Wenn man sich selbst noch bewegen kann. „Dieses Lied ist für die“, singen Erdmöbel im Titelsong des Albums, „die, die nicht wissen wie/ oder wer sind die/ für die dieses Lied ist.“ Was soll jetzt diese Scheiße? Das ist einfach: Pop ist nicht die Antwort. Wer Erdmöbel hört (try: „Russischbrot“), entdeckt Gefühle an Körperstellen, von denen er nie gedacht hätte, dass er da welche hat. Für das Hirn aber gilt: Denk mal schön selber. PETER UNFRIED

Erdmöbel: 27. Januar, Volksbühne