Kinder in Haiti wohl doch nicht entführt

ERDBEBENOPFER Die angeblichen Waisenkinder wurden offensichtlich von ihren Eltern an US-Baptisten übergeben. Sie sollten in der Fremde ein besseres Leben finden. Rotes Kreuz startet große Impfkampagne

CALLEBASSE afp/apn | Mehrere Eltern der angeblichen haitianischen Waisen haben den Versuch von US-Baptisten verteidigt, ihre Kinder außer Landes zu bringen. Wie Bewohner der Stadt Callebasse am Sonntag erzählten, gaben sie ihre Kinder freiwillig weg – und würden es wieder tun.

„Ich würde meinen Sohn am liebsten wieder weggeben“, sagt der 36-jährige Bauer Anchello Cantave. „Für unsere Kinder ist es besser, mit Fremden in einem fremden Land zu leben.“ Auch Fritzian Valmont erzählt, nach einem Gespräch mit seiner Frau habe er sich entschieden, die mittlere ihrer drei Töchter den Baptisten zu übergeben. „Die Amerikaner nahmen die Kinder mit unserer Erlaubnis; hätten sie einen größeren Bus gehabt, wären noch mehr mitgefahren“, sagt er. Auch Saurentha Muran trennte sich schweren Herzens von ihrer Tochter Ansitho, um ihr ein besseres Leben zu ermöglichen. Die 25-Jährige versichert, die Baptisten hätten für die Kinder kein Geld gezahlt.

Callebasse liegt rund eine Autostunde von Port-au-Prince in einem Berggebiet. Dort wurden durch das Erdbeben vom 12. Januar rund 50 Häuser zerstört. In der Nähe befindet sich die Baptistenmission von Quisquella. Die zehn Mitglieder der Organisation New Life Children's Refuge wurden am 29. Januar bei dem Versuch festgenommen, die Kinder im Alter zwischen zwei Monaten und 14 Jahren ohne Papiere über die Grenze in die Dominikanische Republik zu bringen. Sie behaupteten, ihre Schützlinge seien ausschließlich Waisen. Später stellte sich jedoch heraus, dass viele von ihnen noch Eltern haben.

Unterdessen droht den Erdbebenopfern neue Gefahren durch die in den nächsten Wochen erwartete Regenzeit. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen leben 460.000 Haitianer in Notlagern, in denen sich leicht Seuchen ausbreiten können. Mehrere Hilfsorganisationen starten deshalb eine Impfkampagne für 140.000 Menschen im Erdbebengebiet in Haiti. Die Aktion werde sich auf die Hauptstadt Port-au-Prince konzentrieren, da das Krankheitsrisiko dort am größten sei, teilte das Rote Kreuz am Montag in einer in Genf veröffentlichten Erklärung mit.

Durch das Erdbeben kamen nach Angaben der Regierung in Port-au-Prince rund 212.000 Menschen ums Leben, mehr als 300.000 weitere wurden verletzt. Rund zwei Millionen Haitianer wurden obdachlos.