Geschürte Ängste

Die Bremer Polizei lässt die Bremer per Plakataktion wissen: „Die Gefahr lauert überall.“ Perfide wirkt diese Aktion vor dem Hintergrund einer Schießerei, die die Stadt seit Wochen beschäftigt

Gefahr ist, wenn man’s trotzdem macht. Vorgestern zum Beispiel: Abends in der Dunkelheit mit dem Rad an der Weser entlang, keine Strassenlaternen, ganz finster – zwei Jogger getroffen. Danach Gaststätte mit stark hustendem Nebensitzer – Viren getroffen, bis heute ohne Auswirkung. Auf dem Heimweg Dealer am Eck gesehen – erfolgreich vorbeigefahren. Wegen Regen verschärftes Bedürfnis, schnell nach Hause zu kommen – nach genauer Prüfung des Restverkehrs rote Ampel ignoriert. Und dann steht sie da: Die Litfasssäule. Darauf ein Schriftzug, weiß auf Dunkelblau: „DIE GEFAHR LAUERT ÜBERALL. WIR AUCH.“ Und darunter, etwas kleiner: „WIR SIND GANZ IN IHRER NÄHE. IHRE POLIZEI. BREMEN. ABER SICHER!“

Danke. Als Dreingabe zum Regen lauert auch noch ÜBERALL Gefahr, und das neuerdings zusammen mit der Polizei. Eine Doppelbedrohung, denkt man, zumal mit einer roten Ampel auf dem Kerbholz. Dabei hatte man Bremen bislang für einen eher friedlich-verträumten Flecken Erde gehalten.

Anderntags stellt sich heraus, dass das Plakat Teil einer Image-Kampagne der Bremer Polizei ist. „Tue Gutes und rede darüber“, sei das Motto dafür gewesen, sagt Bremens Innensenator Thomas Röwekamp. Worüber tatsächlich geredet wird in Bremen, das ist eine Schießerei, die vor gut zwei Wochen auf der Disko-Meile am Bahnhof stattfand. Sechs Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Hintergrund ist vermutlich ein Streit zwischen rivalisierenden Türsteher-Gruppen. Die örtliche SPD forderte daraufhin von der Polizei, auf der Disko-Meile „so lange wie nötig massive Präsenz“ aufrechtzuerhalten. Die Bremer Polizei sagt, sie würde „konsequente polizeiliche Kontrollen lageangepasst fortsetzen.“

In diesen Kontext also fällt die Kampagne, und sie fällt damit auf fruchtbaren Boden. Wobei der kleine Trick ist, dass die Bremer Polizei die Gefahr als allgegenwärtig verkauft, anstatt sie auf Brennpunkte einzugrenzen. Offensichtlich möchte man das Angstpotenzial der Bevölkerung aktivieren. Wenn die sich erstmal ausreichend bedroht fühlt, lässt sich sicher die ein- oder andere Erweiterung polizeilicher Macht besser durchsetzen.

Wie groß das Gefühl der Bedrohung jenseits des kleinen Bremen ist, zeigt eine Umfrage von TNS Emnid zur Fußball-WM. Demnach gehen 42 Prozent der Befragten davon aus, dass ein Spiel wegen einer Terrordrohung abgesagt werden muss. Mit Ausschreitungen gewalttätiger Fans rechnen zwei Drittel der Bundesbürger. In der Folge halten etwa drei Viertel der Befragten Ausweiskontrollen aller Stadienbesucher für wichtig.

Die Bremer Polizei aber will ihre Kampagne mit „einer kleinen Portion Selbstironie“ versehen haben. Im Fall der lauernden Gefahr fällt diese Portion wohl sehr klein aus. Denn eher ernst gemeint klingt der Satz, den Innensenator Röwekamp zur Vorstellung der Kampagne sagte: „Wir haben jetzt mehr Beamte, die die Polizeipräsenz auf der Straße sichtbar verstärken.“

Wirklich amüsant ist wiederum, dass die Polizei gar kein zusätzliches Geld für die Kampagne locker machen musste: Die Unterstützung dafür kam von der Bremer Marketing Gesellschaft, einer stadteigenen GmbH, die durch Werbung den Tourismus an der Weser ankurbeln soll. Das Logo der GmbH prangt nun mit auf den Plakaten: „Bremen erleben!“ steht da. Schließlich gibt’s dort überall Gefahr. Und lauernde Polizisten.

Klaus Irler