Fatah oder Hamas

Beim Wahlkampf in den Palästinensergebieten geht es nicht nur um einen eigenen Staat, sondern auch um Sicherheit und mehr Arbeitsplätze

AUS RAMALLAH SUSANNE KNAUL

Das Stadtzentrum von Ramallah ist mit Wahlplakaten und Fähnchen bunt geschmückt. Je eine Fähnchenreihe pro Partei. Marwan Barghuti, die Nummer eins auf der Landesliste der Fatah, winkt mit in Eisenschellen gelegten Händen und in Gefängnisuniform in etwa 50-facher Ausfertigung auf die Autofahrer herab, während die Hamas abwechslungsreicher auf jedem Plakat einen anderen Kandidaten zeigt.

„Wählt die Fatah unter der Führung Barghutis, des Ingenieurs der Intifada und Symbols des Widerstandes“, steht unter dem Foto des inhaftierten Spitzenkandidaten. Die Hamas hingegen verzichtet auf Wahlslogans und notiert auf den Plakaten lediglich die Namen der Kandidaten und die Nummer, die angekreuzt werden muss, wenn man ihm die Stimme geben will.

11 Listen mit insgesamt 728 Kandidaten gehen am kommenden Mittwoch ins Rennen um die insgesamt 132 Parlamentssitze. Je die Hälfte wird über die Landesliste gewählt oder über die Bezirksvertreter gestellt. Immerhin 20 Prozent der Mandate gehen per Quotierung an Frauen. Gewählt wird zwischen 7 und 19 Uhr. Vertreter der zentralen Wahlkommission rechnen mit den ersten Hochrechnungen gegen 22.30 Uhr am Mittwoch. Von den gut 1,7 Millionen Wahlberechtigten sind nur etwa drei Viertel registriert. Dennoch rechnet die Wahlkommission mit einer hohen Beteiligung an den zweiten Parlamentswahlen seit Bestehen der palästinensischen Autonomieverwaltung.

Die Parteien werben mit dem Ziel, einen Staat Palästina mit der Hauptstadt Jerusalem zu verfolgen, mit Sicherheit, Demokratie, mehr Arbeitsplätzen, besserer Erziehung und sogar mit Umweltprogrammen. „Gerechtigkeit, Freiheit und Würde“, steht auf dem Plakat eines unabhängigen Kandidaten. „Das sind doch alles leere Versprechungen“, meint Ali, der rauchend vor einem Kleiderladen sitzt und nicht zur Wahl gehen will. Seit knapp zwei Jahren ist der 28-Jährige arbeitslos. Die „angeblichen“ Sprechstunden der Kandidaten würden nicht eingehalten, schimpft er. „Keiner hat je etwas für uns getan.“

Ganz anders als Ali hoffen drei Studentinnen von der Bir-Zejt-Universität auf einen Wahlsieg der Fatah. „Das ist einfach unsere Partei. Für die haben schon unsere Eltern gestimmt“, sagt die 19-jährige Bissan. Die Fatah habe den Friedensprozess begonnen, und „sie wird ihn auch zu Ende führen“, hofft sie. Natürlich habe sie von den Korruptionsvorwürfen gehört, aber „diesmal stehen neue Kandidaten auf der Liste“.

Die Fatah hatte nach temporärer Abspaltung von Marwan Barghuti und dessen Anhängern eine Reihe von Nachwuchspolitikern auf der landesweiten Liste nominiert. Damit wirkte die alte Führungsriege zwar dem Vorwurf entgegen, sie würde die Posten unter sich verteilen, andererseits sind viele der Kandidaten wenig bekannt. Der Zwist innerhalb der Partei ist einer der Gründe für das Ersterken der Hamas, die laut letzten Umfragen nur noch wenige Prozentpunkte hinter der Regierungspartei liegt.

Auch wenn die Islamisten die Wahlen nicht für sich entscheiden, so steht jetzt schon fest, dass sie eine starke Opposition innerhalb des Parlaments stellen werden. Eine Beteiligung an der Regierung schloss Palästinenserpräsident Mahmud Abbas allerdings bereits im Vorfeld der Wahlen aus. Das Weiße Haus hatte zuvor mit einer Einstellung der Finanzhilfen gedroht, sollten die Extremisten Teil der Koalition sein. Die Sorge vor einer Wahlschlappe und der Zwist in den eigenen Reihen hatte Teile der Fatah auf eine Wahlverschiebung drängen lassen, was Abbas jedoch ablehnte. Die Fatah-nahen Al-Aksa-Milizen drohen nun damit, den Wahlvorgang mit Gewalt zu vereiteln.