„Spaltung ist immer schmerzhaft“

BÜNDNISSE Klaus Brandner, SPD, zum Streit über die Sozialistische Internationale und die neue Progressive Alliance

■ 64, ist MdB, Vorsitzender der deutsch-ägyptischen Parlamentariergruppe (SPD) und Parlamentarischer Staatssekretär a. D.

taz: Herr Brandner, am Mittwoch wurde ein neues internationales Bündnis, die „Progressive Alliance“, gegründet. Warum grenzt sich die SPD von der Sozialistischen Internationalen (SI) ab?

Klaus Brandner: Weil die SI nicht mehr die Stimme der Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Gleichheit ist. Die SI hat den notwendigen inneren Reformprozess verpasst und keine Kraft mehr, das zu ändern.

Worin zeigt sich diese Reformunfähigkeit?

Etwa darin, dass die Nationaldemokratische Partei Ägyptens (NDP), der Mubarak angehörte, lange Mitglied der SI war, obwohl die Menschen gegen die Diktatur von Mubarak aufbegehrten.

Aber die NDP wurde 2011 ausgeschlossen …

Das Bündnis wurde aber erst beendet, nachdem Mubarak gestürzt war. Ähnliches ist auch in Tunesien passiert. Das hat Glaubwürdigkeitsprobleme mit sich gebracht. Wenn die SI nicht die nötigen Reformen durchführen kann, dann sollte man eine neue Bewegung starten.

Kann man darin nicht den Versuch sehen, überhaupt Einfluss zu nehmen?

Wenn Mitglieder der SI nicht ernsthaft für Menschenrechte eintreten, kann man als Organisation nicht glaubwürdig bleiben. Das ist fehlende Distanz.

Georgios Papandreou, Präsident der Sozialistischen Internationalen, wirft den deutschen Sozialdemokraten nun vor, „die globale progressive Bewegung zu spalten“.

Spaltung ist immer schmerzhaft. Aber wenn es um grundsätzliche Werte geht, dann muss man eine Trennung in Kauf nehmen können. Die Priorität ist in diesem Fall nicht Einheit, sondern Inhalt.

Die SPD hat ihre Mitgliedsbeiträge in der SI auf ein Minimum reduziert. Wäre ein Austritt nicht konsequenter?

Letztlich ist das ein Warnzeichen. Die Progressive Alliance ist ja keine aktive Gegenorganisation, sondern möchte einfach glaubhaft sozialdemokratische Werte vertreten – es gibt eine Resthoffnung, dass sich die aktiven Mitglieder in der SI auf ihre Werte besinnen.

Was macht die Progressive Alliance anders?

Ein grundlegender Unterschied ist die Auffassung, dass die Frage von Freiheit, von Menschenrechten und die Wahrnehmung demokratischer Rechte unteilbare Ansprüche sind.

Das hört sich vage an.

Das ist ein offener Prozess. Wenn man 70 Mitglieder zählt, die eine neue Aktivität aufnehmen wollen, wie sie eine sozialdemokratische Geschichte vorgelebt hat, dann ist nichts in Stein gegossen.

INTERVIEW: JASMIN KALARICKAL