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Aachen wird siegen

Tabellenprimus Alemannia Aachen besiegt Erzgebirge Aue mit 3:1 und versucht den Marxismus zu bestätigen

AACHEN taz ■ Von Ruhe, Realismus und Geduld sprachen sie viel am Freitagabend rund um den Tivoli nach dem 3:1 gegen den FC Erzgebirge Aue. „Ruhig geblieben“, sei die Elf, so Extrainer Jörg Berger, als es lange nicht recht lief. Man müsse immer Geduld haben, analysierte Kapitän Erik Meijer, „denn alle anderen haben gegen uns nichts zu verlieren“. Trainer Dieter Hecking verließ nach der „zähen Angelegenheit“ sogar die übliche Grammatik: Geduld werde in der Rückrunde „das hauptgenannteste Wort werden“.

Das Spiel war von großer Mühe geprägt. Kaum war den Aachenern, ziemlich unerwartet, die Führung gelungen (Klitzpera, 42. Minute), legte Aue zu, hatte Pech mit Juskowiaks Pfostentreffer, bekam einen Elfmeter unterschlagen und hätte mit etwas Glück nach dem 1:1 (Demir, 62. Minute) sogar in Führung gehen können. Direkt danach schenkten die Auer den Alemannen durch dumme Fehler den Sieg (Tore durch Schlaudraff und Reghecampf) und gestatteten den Gastgebern in der Schlussviertelstunde eine kleine Gala.

Alemannia Aachen versucht sich nach ewigen 36 Jahren in die erste Liga zurückzuspielen. Mit Ballkontrolle, Fehlervermeidung und Safety First. Nicht zufällig hat ein großer Versicherer seine Initialen auf die Trikots gemalt. Alemannia kämpft dabei an vielen Fronten. Jedes Wochenende, soweit üblich, stellt sich ein anderer Gegner in den Weg. Zusätzlich hockt allen die Vergangenheit auf den Schultern. Erik Meijer sagte auch: „Da überlegst du schon vorher, uiuiui, was war da vorher...“ Es gab viele vorhers: Herbstmeister 1985 – alles verspielt. Herbstmeister 2003 – dito. Im Vorjahr vor lauter Uefacup-Euphorie alles verdaddelt und verkrampft. Und seit Jahren den Rückrundenauftakt prinzipiell vermasselt. Der Dauerfrust hat in Aachen seinen Hauptwohnsitz.

Geschichte wiederholt sich nicht: Dieser Kernsatz des historischen Sozialismus, scheint in Aachen längst widerlegt. Der Satz nährt den revolutionären Glauben, dass man aus Fehlern lernt, dass alle verändernde Kraft einmal von Erfolg gekrönt sein muss. Dafür schuftet man schließlich. Marx hatte übrigens in einer besonderen Form cleverer Dialektik hinzugefügt, dass sich Geschichte durchaus wiederholen kann: Was beim ersten Mal Tragödie war, kehre beim zweiten Mal als Farce zurück. Alemannia hat diese Stufen schon hinter sich. Leider verriet Marx nicht, ob dann die Bundesliga kommt. Man weiß nur: Heute befindet sich im Londoner Marx-Haus das Restaurant „Quo vadis“. „Wir haben uns selbst besiegt“, schimpfte Aue-Coach Gerd Schädlich. Dass der Klassenfeind klein beigibt, hatte der fußballunkundige Marx auch nicht vorhergesagt.

Aue war ohnehin ein heikler Gegner. Im Vorjahr hatten die Ostgäste der Alemannia mit 1:5 die höchste Heimpleite seit etwa 1730 beigebracht. Fast genau so lange kursiert nach vielen guten Hinserien in Aachen die weniger marxistische als naturalistische Erkenntnis: „Immer wenn die Bäume ausschlagen, schlägt Alemannia keinen Gegner mehr.“ Hecking hofft auf Dauerfrost: „Vielleicht können wir auf einen besonders langen, harten Winter hoffen.“ Oder eilig bis zum Knospenwurf Ende März einfach alle Spiele gewinnen? „Na, dafür bin ich zu sehr Realist.“ BERND MÜLLENDER

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