Barfuß den Gipfel stürmen

BAVARIAN BRASS Auch ohne einen Auftritt beim Eurovision Song Contest in Malmö wollen LaBrassBanda jetzt das Ausland erobern. Ihr selbst gestecktes Ziel lautet: „Europa“

Fast wären LaBrassBanda beim Eurovision Song Contest in Malmö aufgetreten und hätten dieser barfüßigen Dänin dort ernsthaft Konkurrenz machen können. Nicht so wie diese Eurotrash-Combo Cascada. Beim Vorentscheid zum Eurovision Song Contest im Februar lag die barfüßige Blaskapelle aus Bayern beim Radio-Publikum klar vorne, die Hörer der öffentlich-rechtlichen Popwellen – von 1-Live im Westen bis Radio Fritz im Osten – wählten sie geschlossen auf Platz eins. Doch dann machte ihnen vor allem die Wertung der Jury einen Strich durch die Rechnung.

„Niemand von uns ist beleidigt, dass es nicht geklappt hat“, behauptet Schlagzeuger Manuel da Coll beim Gespräch in einem Berliner Hotelzimmer. „Es war lustig, einmal zu sehen, wie so etwas funktioniert.“ Und Stefan Dettl, der Trompeter und Sänger, meint: „Es hat sich für uns jetzt schon ausgezahlt“, reklametechnisch. Außerdem habe die Abstimmung der Radiohörer sie selbst überrascht, denn von vielen Radiosendern wird ihre Musik gar nicht gespielt. Umso überraschender war deshalb das Ergebnis beim Vorentscheid. „Die Leute, die unsere Musik hören, sind aktive Menschen“, erklärt sich Sänger und Trompeter Stefan Dettl den Erfolg: „Die gehen in Konzerte und sind im Internet unterwegs. Und die beschäftigen sich auch damit, wie so ein Radio-Voting funktioniert.“

Die Bläserformation um Stefan Dettl hat es in den vergangenen Jahren auf nackten Sohlen weit gebracht, vom Chiemsee in die weite Welt. Über 500 Konzerte haben LaBrassBanda seit ihrer Gründung vor sechs Jahren gespielt, von Schützenfesten und kleinen Clubs bis zu großen Rockfestivals wie in Roskilde und beim „Hurricane“ in Scheeßel. Ihr neues Album „Europa“ ist nun wie gemacht, um einen weiteren Schritt auf der Erfolgsleiter zu erklimmen. Es eröffnet mit betont technoiden Beats, ohne den bewährten Bläser-Sound zu verleugnen. Es sind mehrere Instrumentalnummern dabei, und die Stücke tragen auffällig oft europäische Ländernamen wie „Holland“, „Schweden“ und „Bulgarien“ als Titel.

„Europa“ als Programm

War der Auftritt in Malmö also schon einkalkuliert? Zumindest wollen die Musiker in Zukunft wieder öfter im Ausland auftreten, weil das in den letzten Jahren etwas zu kurz gekommen sei. „Es ist spannend, wo zu spielen, wo sie einen wirklich nicht verstehen“, sagt Stefan Dettl. „Da bekommt man keine Vorschusslorbeeren, da zählt nur die Musik. Da wollen wir wieder hin.“

Kennen gelernt haben sich die fünf Musiker von LaBrassBanda vor sechs Jahren beim Studium am Richard-Strauss-Konservatorium in München. Eine Partyreihe in ihrer Region, „International Bohemia“ genannt, bei der befreundete DJs regelmäßig Balkan Brass, Gipsy Punk und Latin Ska auflegten, brachte Bandgründer Stefan Dettl auf die Idee, etwas Ähnliches mit Harmonien aus der bayrischen Volksmusik und bayrischer Mundart zu versuchen. So kam es zu LaBrassBanda – schon der Name ist eine Kreuzung aus dem italienischen La Banda und dem englischen Begriff „Brass Band““. Ihre Musik dagegen ist eine Mischung aus Pop, Bläserfunk und Alpenmusik, die Anleihen bei Reggae und Techno nimmt. Man darf aber auch ruhig Volksmusik dazu sagen, findet Andreas Hofmeir, denn man greife man nun mal Einflüsse aus verschiedenen regionalen Traditionen aus. „Popmusik ist auch nur ein anderes Wort für Volksmusik“, stimmt ihm Schlagzeuger Manuel Da Coll zu. Andreas Hofmeir bringt es auf die Formel: „Unsere Musik schließt nichts aus, sondern schließt alles mit ein.“

Wenn sie nicht gerade mit LaBrassBanda unterwegs sind, reitet jeder der Musiker sein eigenes Steckenpferd. Schlagzeuger Manuel Da Coll hat ein Elektro-Duo namens Pollyester. Andreas Hofmeir lehrt als Professor am Mozarteum in Salzburg, gibt Tuba-Workshops und klassische Konzerte. Und Sänger Stefan Dettl hat eine Rockband gegründet, in der er mit bayrischem Dialekt singt. Posaunist Manuel Winsbeck war vor seinem Jazzstudium Kirchenmusiker in Graz. Und Oliver Wrage, der Bassist, hat die Indie-Band WEITER gegründet. Doch in diesem Jahr wird sich bei ihnen alles nur noch um LaBrassBanda drehen.

Kindheit mit Pumuckl

Zunächst werden die Blasmusiker diesen Sommer im Vorprogramm der Ärzte spielen, zum Auftakt gleich im Fußballstadion in Köln. „Da freue ich mich schon drauf“, sagt Stefan Dettl über die Kulisse. „Bisher haben wir nur einmal bei St. Pauli in der Pause gespielt, aber das hat keinen interessiert.“ Die Veröffentlichung von „Europa“ wird im Juli zu Hause im Chiemgau gefeiert, mit einem großen Konzert auf der Felsenburg Stein an der Traun. „Da gibt es große Wiesen und eine große Bühne“, schwärmt Andreas Hofmeir vom Panorama.

Weil der wachsende Erfolg sie zu überfordern drohte, sind LaBrass Banda im vergangenen Jahr vom kleinen Indie-Label Trikont, bei dem alles begann, zum Sony-Konzern gewechselt. Ihr Album erscheint dort nun auf dem Sublabel „Europa“, das eigentlich für Kinderkassetten und Hörspiele wie „Die drei ???“ oder „Fünf Freunde“ bekannt ist. Konzept oder Gag, die Band wollte das jedenfalls so: „Wenn schon bei so einem großen Label, dann bei einem, mit dem wir etwas verbinden“, sagt Stefan Dettl . Alle hätten sich da gleich an ihre Kindheit mit „TKKG“ und Pumuckl-Kassetten erinnert gefühlt.

Außerdem passt der Label-Name jetzt zum Albumtitel, und für die tägliche Arbeit macht die Abteilung ohnehin keinen Unterschied. „In so einem Konzern arbeiten alle zusammen“, hat Stefan Dettl festgestellt. „Unser A&R stammt von Ariola, jemand anderes kommt von Columbia. Es macht Spaß, mit solchen Profis zusammenzuarbeiten.“

Für die Ausverkaufsvorwürfe mancher Fans haben die Musiker Verständnis. „Die Fans wollen einen immer lieber in kleinen Clubs sehen“, sagt Stefan Dettl. „Ich würde auch die Rolling Stones gerne in kleinen Clubs sehen. Aber das geht nicht“ – dafür sei die Nachfrage inzwischen zu groß. Mit 45 Konzerten werden LaBrassBanda in diesem Jahr wohl vor mehr als einer halben Million Leute spielen. Da sei es gut, eine größere Infrastruktur im Rücken zu haben als bisher.

Laptop und Lederhose?

Verkörpern LaBrassBanda aber inzwischen nicht eine Spur zu perfekt das Bayern-Image von „Laptop und Lederhose“? Für Stefan Dettl steht fest, dass die Globalisierung längst auch die bayrische Provinz erreicht hat. „Ich find’s spannend, wenn Leute vom Land nach Australien oder Afrika gehen“, sagt er. „Wenn das das Lebensgefühl ist, für das wir stehen, dann tun wir das gerne.“

Und was ist mit dem anderen Erfolgsmodell der Region, dem FC Bayern München? „Solche Verbindungen scheuen wir“, winkt Schlagzeuger Manu Da Coll ab. Das Trikot seines Lieblingsvereins würde er sich auf der Bühne nie überziehen. „Obwohl, beim Ärzte-Konzert könnten wir das ja mal probieren“, schlägt Stefan Dettl vor.

Vor sechs Jahren sind LaBrassBanda noch mit Mopeds und Traktor zum Fußball-EM-Endspiel nach Wien gefahren und haben spontane Freiluft-Konzerte auf öffentlichen Plätzen gegeben. Seither sind sie auf allen großen Festivals Mitteleuropas aufgetreten, der Regisseur Markus Rosenmöller hat einen Film über sie gedreht, und sie wurden zum Eurovision-Song-Contest-Kandidaten der Herzen gewählt. Was soll jetzt noch kommen? Drummer Manuel Da Coll verspricht: „Bald gibt’s einen Panini-Sammelband von uns.“

■ LaBrassBanda: „Europa“ (Sony/Europa). Erscheint am 14. Juni