Von Bamako in die Sahara

Überdrehte Diskokugel

Bei Salif Keita, dem 63-jährigen Großmeister der malischen Popmusik aus Bamako, standen die Vorzeichen in den letzten Jahren auf „back to the roots“. Mit „Talé“ hat er auf seine alten Tage das Ruder jetzt aber noch einmal deutlich herumgeworfen. Der prominente Albino-Sänger mit der goldenen Stimme hat das Produktionszepter an Philippe Cohen-Solal vom Gotan Project übergeben, und ganz wunschgemäß hat der Franzose fast alle der elf Chansons tanzbar gemacht.

Die traditionellen Instrumente von Buschharfe über Flöte bis Balafon leuchten zwar noch durch, doch nach lyrischem Intro dominiert dann der Dancefloor-Anstrich. Ein Kopfnickerbass und schwüle Streicher erinnern an Chic, die Hitmaker des Discofunk. Dann gibt es ein wenig Dub, ein bisschen Afrobeat, Mandinke-Techno, Salsa-Anleihen. Die Gastauftritte von Bobby McFerrin, Esperanza Spalding und Roots Manuva wirken etwa bemüht und aufgesetzt. Zum Glück ändert das nichts am Charisma von Keitas Stimme und dem majestätischen Grundcharakter der Mandinke-Melodien. Insgesamt aber hat der Patron aus Bamako bei seinem Wunsch, zeitgenössisch zu klingen, die Diskoglitzerkugel doch etwas überdreht. SF

Salif Keita: „Talé“ (Wrasse/Harmonia Mundi)

Von Niger nach Nashville

Omara Mokhtar alias Bombino ist der neue Held des Wüstenblues. Der Gitarrist aus Niger hat zwei Rebellionen erlebt, ist geschult an den Klängen von Jimi Hendrix und Mark Knopfler und hat mit Keith Richards gejammt. Wie es bei momentan fast allen Tuareg-Musikern der Fall zu sein scheint, gehört es auch bei ihm zum guten Ton, sich einen westlichen Produzenten aus der seelenverwandten Bluesrock-Sparte mit ins Boot zu holen.

Auserkoren hat sich Bombino den Black-Keys-Gitarristen Dan Auerbach, der hier nochmals eine krachige Schippe mehr draufgelegt hat, als das bei Kollegen wie Tinariwen oder Terakaft derzeit Usus ist. Die scharfkantigen Gitarren kreisen verzerrter, die Bässe pumpen, und ein Schlagzeug packt zu. Als Schaukasten für das gelungene Teamwork zwischen Niger und Nashville kann der rollende „Niamey Jam“ gelten – ebenso der Song „Imuhar“, der zudem noch mit originellen Vibrafoneinlagen bereichert wird. Sympathisch, dass Auerbach auch noch etwas Platz für den typisch trabenden Tuareg-Rhythmus gelassen hat, etwa in „Imidiwan“. So kann auch Bombinos näselndes Vokalcharisma mal richtig durchdringen. SF

Bombino: „Nomad“ (Nonesuch/Warner)

Benefiz für Mali-Flüchtlinge

Als Tuareg-Rebellen und radikalen Islamisten im vergangenen Jahr den Norden Malis überrannten, flüchteten viele Menschen aus der Region in die Nachbarländer. Auch nach dem Einmarsch französischer und afrikanischer Truppen in Mali herrscht noch kein wirklicher Frieden. Bis heute sind viele Flüchtlinge deshalb noch nicht wieder in ihre Heimat zurückgekehrt.

Der Sampler „Songs for Desert Refugees“ macht auf dieses Flüchtlingsdrama aufmerksam, das sich in den vergangenen Monate – weitgehend unbemerkt von der Weltöffentlichkeit – in der Wüste abgespielt hat. Die Compilation versammelt Tuareg-Musiker von Algerien über Mali bis Burkina Faso, die größtenteils bisher unveröffentlichte Aufnahmen beigesteuert haben. Es sind praktisch alle dabei, die Rang und Namen haben in der Tuareg-Rockszene, von Tinariwen, den Begründern des Genres, bis zu Newcomern wie dem Gitarristen Bombino aus Niger.

So erhält man nebenbei auch einen guten Überblick über den aktuellen Stand ihres „Wüstenblues“-Genres. Die Einnahmen gehen an anerkannte NGOs, die in der Sahara und Sahelregion aktiv sind. BAX

„Songs for Desert Refugees: A Compilation in Aid of the Refugees from Northern Mali“ (Glitterhouse)