Tobias und Sharon bekommen nach fünf Jahren recht

Gleich nach der Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 hat die Dortmunder Familie Kerber-Schiel Klage eingereicht. Dass ein Kind mit 207 Euro im Monat auskommen soll, konnten sie nicht glauben. Fünf Jahre später dürfen sich Katrin und Joachim Kerber-Schiel zusammen mit den beiden anderen Klägerfamilien aus Bayern und Hessen über ihren Erfolg in Karlsruhe freuen.

Die Kerber-Schiels sind eine typische Aufstockerfamilie. Vater Joachim, 57, arbeitet halbtags als Lagerarbeiter bei Ikea, seine Frau Katrin, 41, ist arbeitslos, gelernt hat sie Altenpflegerin. Von den 757 Euro Lohn, die der Vater verdient, darf die Familie 268 Euro behalten, der Rest wird auf die Hartz-IV-Leistungen angerechnet. Für das tägliche Leben stehen der fünfköpfigen Familie rund 1.630 Euro zur Verfügung. „Gegen Ende des Monats ab dem 20. wird das Geld regelmäßig knapp“, sagt der Anwalt der Familie, Martin Reucher. Gespart werde an dem, was man gesellschaftliche Teilhabe nennt: mal ins Kino gehen, ins Hallenbad oder in den Zirkus. Schon die 7,50 Euro für die Mitgliedschaft im Fußballverein für Sohn Tobias, 10, sind fast zu viel. Denn: Allein in einem Jahr wuchsen seine Füße um drei Größen. Für die gesamte Garderobe eines Kindes sind aber nur 300 Euro pro Jahr vorgesehen. Tochter Sharon, 12, würde gerne Reitunterricht nehmen oder mal in den Urlaub fahren. „Geht nicht“, sagt die Mutter in solchen Fällen meistens. Oder einfach nur: „Sorry.“ Vor kurzem ist der Wäschetrockner kaputtgegangen. Um einen neuen kaufen zu können, sammelten die Kerber-Schiels Pfandflaschen ein.

Ob und wie viel mehr Geld die Familie wegen des Karlsruher Urteils tatsächlich bekommt, ist jedoch noch völlig unklar. Klar ist nur, was die Verfassungsrichter von der bisherigen Festlegung des Hartz-IV-Satzes für Kinder halten: nichts. Noch nicht einmal die Aufwendungen für Schulbücher, Hefte oder Taschenrechner seien dabei berücksichtigt worden.

Rechtsanwalt Reucher drückt es so aus: „Die Kinder der Familie wurden fünf Jahre in ihrer Menschenwürde verletzt.“ Was ihn trotz des juristischen Siegs in Karlsruhe enttäuscht, ist denn auch, dass sich an der Situation der Familie nicht sofort etwas ändert, sondern erst mal wieder die Politik am Zug ist. WOLF SCHMIDT