Rechte verhören sich

Vier rechte Jugendliche überfielen eine Punk-Band, die keine war. Das Amtsgericht verurteilte gestern drei von ihnen wegen Körperverletzung

VON MARTIN REISCHKE

Die Worte, die die vier Angeklagten für ihre Tat finden, kommen langsam und stockend. Sie stehen im seltsamen Gegensatz zu dem brutalen Überfall auf eine vermeintlich linke Rock-Band in Niederschönhausen am Abend des 24. April vergangenen Jahres. Denn der war alles andere als eine spontane Aktion. Die vier Männer zwischen 19 und 20 Jahren aus der rechten Szene hatten ihn vorher genau geplant.

Was an jenem Sonntag im April in Niederschönhausen passierte, ist schnell erzählt. Drei Musiker der Rock-Band Mr. Marple waren gerade damit beschäftigt, ihren Proberaum aufzuräumen, als drei der vier Angeklagten mit Sturmhauben maskiert hereinstürmten. Sie attackierten die Musiker mit Pfefferspray und verprügelten sie mit Schlagstöcken. Der vierte Angeklagte wartete vor dem Gebäude im Fluchtwagen. Doch die Flucht misslang: Die vier jungen Männer wurden nach dem Überfall in unmittelbarer Nähe des Tatorts von der Polizei festgenommen.

Polizei war gewarnt

Nach Aussagen eines Polizeibeamten waren drei der Angeklagten schon vorher observiert worden. „Es war bekannt, dass etwas mit einer Musikgruppe geplant war“, sagte der Beamte vor Gericht. Suzanne Kossack, die einen der Angeklagten verteidigt, wirft den Beamten deshalb vor, nicht konsequent und schnell genug gehandelt zu haben: „Es besteht der Verdacht, dass die Polizei gewartet hat, damit eine Straftat begangen wird.“ Der Beamte widerspricht: Er habe die Angeklagten zwar auf dem Gelände gesehen. Allerdings habe die Polizei nicht gewusst, dass die Musikgruppe im Proberaum war.

Die Vorgeschichte: Zufällig hatte einer der Angeklagten erfahren, dass eine linke Punk-Band in Niederschönhausen proben und einen Auftritt planen würde. Den wollten die vier jungen Männer verhindern, auch wenn sie weder von der Band noch von ihrer Musik je etwas gehört hatten. Die Angeklagten erklärten vor Gericht, dass es ihnen nur darum gegangen sei, „die Instrumente kaputtzumachen, um einen Auftritt zu verhindern“. Menschen sollten bei dem Überfall nicht zu Schaden kommen, erklärte ein Angeklagter.

Am Ende war es allerdings genau umgekehrt: Die Instrumente der Band blieben unbeschädigt, während die Bandmitglieder mit Augenreizungen, Schädelprellungen und Kopfplatzwunden behandelt werden mussten. „Wir waren wohl einfach zur falschen Zeit am falschen Ort“, sagte einer der Musiker. Denn die Band spielt weder linke Punk-Musik noch plante sie einen Auftritt. Offensichtlich hatten die Angeklagten sie mit einer Gruppe verwechselt, die im gleichen Gebäude einen Proberaum besitzt.

Schmerzensgeld für Opfer

Das Gericht wertete den Überfall als eine „politisch motivierte Straftat“. Drei der Angeklagten wurden wegen versuchter Sachbeschädigung und gefährlicher Körperverletzung zu Jugendstrafen zwischen 10 und 14 Monaten verurteilt, einer erhielt eine Verwarnung und eine Woche Dauerarrest. Außerdem müssen die vier Männer insgesamt rund 2.500 Euro Schmerzensgeld an die Opfer zahlen. Zudem müssen zwei Angeklagte an einem Toleranztraining teilnehmen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

„Ich war damals der politischen Ansicht, dass das o.k. ist“, versuchte einer der Angeklagten den Überfall zu erklären. Er habe sich allerdings aus der rechten Szene gelöst und nun selbst sogar schon Morddrohungen erhalten. Seine anschließende Entschuldigung bei den Opfern wirkte seltsam hölzern und hilflos.