hört auf den Sound der Stadt

FATMA AYDEMIR

Rockmusik ist in der Türkei seit dem großen Altmeister Erkin Koray ein großes Thema. Dem Musiker gelang es schon in den späten 60er Jahren, Psychedelic und Rock ’n’ Roll mit folkloristischen Elementen und einer authentischen Sprache zu verbinden und den sogenannten Anatolian Rock salonfähig zu machen. Bis heute folgen immer noch zahlreiche junge Bands dessen Vorbild und produzieren einen harmonischen Hybriden aus Popkultur und Tradition, der für ein generationsübergreifendes Publikum funktioniert. Duman ist eine Band, die sich in der Folgezeit des großen kommerziellen Erfolgs des Grunge formierte und aufregenden Krach mit intelligentem, zuweilen hochpoetischem Sprachgebrauch versieht. Sänger Kaan Tangözes teilweise arabesken Intonationen können durchaus als Verneigung vor Altmeister Koray gelten und machen den dreckigen Sound der Band auch für die Großeltern zugänglich. Wie das aber immer so ist mit erfolgreichen Bands, zumal jenen, die in einer muslimischen (wenn auch laizistischen) Gesellschaft einen alternativen Lebensentwurf propagieren, lassen die, die mit dem Finger auf ihre abweichenden Wertvorstellungen zeigen, nicht lange auf sich warten. Den Namen Duman, zu Deutsch „Rauch“, verpasste sich die Band laut Legenden wegen des Qualms, der aus der Tüte dringt, die sich Frontmann Tangöze nicht demonstrativ, aber regelmäßig bei Livekonzerten ansteckt, wenn er nicht gerade ein Bier nach dem anderen trinkt und über die Bühne torkelt. Proteste gab es aber zuletzt eher wegen textlichen Inhalten. Studierende der konservativen Süleyman-Demirel-Universität haben im letzten Dezember den Anfang gemacht und für das Absagen eines Duman-Konzerts in Isparta demonstriert, weil die Band in dem Song „Rezil“ („Schande“) ein Zitat aus dem Koran satirisch verfälscht hatte. Damit wurde eine ganze Reihe von Protesten losgetreten, die zur Absage mehrerer Konzerte in diesem Frühjahr geführt hatten. Eine andere, selten neu aufgerollte Kontroverse, die aber sicher ihren Einfluss im Hintergrund dieser Ereignisse ausübt, löste das Lied „Iyi de Banane“ („Was geht mich das an“) aus, mit dem sich die Band deutlich brüllend von der regierenden AKP-Partei um Präsident Erdogan distanziert. Das Stück kehrt die religiös-moralisierende Rhetorik der Regierung um und fragt, ob es nicht Sünde sei, was mit der Freiheit des Volks angestellt werde: „Unsere Menschenwürde wird mit Füßen getreten / Unsere Aufklärung wird abgeschnitten / Unser Land ist längst verkauft / Aber was geht mich das an“. Am Samstag spielt die berühmt-berüchtigte Liveband im SO 36 (21 Uhr, Oranienstr. 190, 20/30 €). In Kreuzberg ist immerhin nicht mit Protesten zu rechnen!