Billiger schreiben am Stadtrand

PRINTKRISE Dem italienischen „Corriere della Sera“ droht ein harter Sparkurs

„Deportation“: So mancher Journalist des Corriere della Sera versteigt sich dieser Tage zu durchaus gewagten Vergleichen, wenn er vom womöglich bald anstehenden Umzug der Redaktion aus dem historischen Corriere-Palazzo mitten im Zentrum Mailands an den grauen (und billigeren) Stadtrand denkt. Italiens größte Tageszeitung ist in der schwersten Krise ihrer Geschichte. Vor allem Frühverrentungen sollen den Corriere jetzt retten.

Tiefe Einbrüche der Auflage ebenso wie dramatische Verluste bei den Werbeeinnahmen bringen das Flaggschiff der italienischen Presse an den Rand des Abgrunds. Die RCS Media Group – neben dem Corriere verlegt sie die Gazzetta dello Sport, Illustrierte und Frauenmagazine – erzielte im ersten Quartal 2013 einen Verlust von 87 Millionen Euro. Doch schon seit Jahren sind die Zahlen tiefrot. Die täglich verkaufte Auflage des Corriere, die noch Mitte der 2000er Jahre bei über 600.000 Stück lag, ist auf nur noch gut 400.000 eingebrochen. Und allein von 2012 auf 2013 sanken, auch durch die schwere Rezession in Italien bedingt, die Werbeerlöse um über 22 Prozent.

Der Verlag reagiert mit einem Stellenstreichungsplan, der allein bei der Corriere-Redaktion 110 Frühverrentungen vorsieht – das ist fast ein Drittel der Redaktion. Die Betroffenen verweisen nun darauf, dass die Krise zu einem guten Teil hausgemacht ist. Tiefe Löcher riss vor allem 2006 der Zukauf der spanischen Mediengruppe Recoletos – sie gibt unter anderem die Tageszeitung El Mundo heraus – für über eine Milliarde Euro. Und die Eigentümer – Banken, italienische Großkonzerne –, die sich selbst im Krisenjahr 2011 noch Dividenden genehmigten, konnten sich bisher nicht auf die dringend nötige Kapitalerhöhung einigen. So bleibt ihr einziges Rezept vorerst der harte Kostenschnitt.

MICHAEL BRAUN, ROM