Amt will Biokontrollen übernehmen

LEBENSMITTEL Die nordrhein-westfälische Aufsichtsbehörde fordert, dass Öko-Großbetriebe künftig nicht mehr von privaten Kontrolleuren überprüft werden dürfen. Staatliche Inspektoren seien unabhängiger

Immer wieder werden Betrugsfälle erst von Kunden aufgedeckt

BERLIN taz | Nach erneuten Betrugsskandalen mit dem Bio-Siegel fordert Nordrhein-Westfalens Landesamt für Verbraucherschutz, privaten Kontrolleuren die Inspektionen großer Ökobetriebe zu entziehen. „Bei bestimmten Größenordnungen sollte es eine staatliche Kontrolle geben“, sagte der Chef des Lanuv, Heinrich Bottermann, der taz. Problematisch sei, dass sich Biobauern bisher ihre Kontrollstelle selbst aussuchen und diese dann für die Abnahme bezahlen. Die Unternehmen überprüfen zum Beispiel, ob Landwirte, wie von der EU-Ökoverordnung verlangt, auf chemisch-synthetische Pestizide oder Dünger verzichten.

Falsche Bioschweine

Anlass für Bottermanns Forderung ist eine Anklage gegen den Schweineproduzenten Ulrich F. und seine Tochter Stefanie: Nach drei Jahren Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Bielefeld einen Prozess gegen den Landwirt aus der Stadt Espelkamp nahe Minden beantragt. Er soll Schweine als teure Ökoware verkauft haben, ohne belegen zu können, dass die Tiere nur Biofutter bekommen haben. Die Strafverfolger stufen das als besonders schweren Betrug ein. Die Käufer der falschen Bioschweine hätten rund 348.000 Euro zu viel gezahlt, sagt Oberstaatsanwalt Klaus Pollmann.

Den entscheidenden Hinweis auf den Betrug bekamen die Behörden laut Lanuv im November 2006 von einem Kunden der Schweineproduzenten. „Die Kontrollstelle hat das nicht aufgedeckt“, kritisiert Amtsleiter Bottermann. Das gleiche Problem hatte es vor einem Jahr beim einst größten deutschen Putenmäster Berthold Franzsander gegeben. Grund ist laut Bottermann, dass die Kontrollstelle weniger Unterlagen einsehen kann als eine Behörde – und das „besondere Verhältnis zwischen Kontrollstelle und dem zu Kontrollierenden“.

Deshalb sollen nun Ämter die Inspektionen übernehmen – zumindest bei Betrieben, die pro Jahr mehr als zum Beispiel 20.000 Hühner oder 10.000 Schweine erzeugen. Je mehr Tiere, desto schwieriger ist ihr Weg nachzuverfolgen, so Bottermanns Rechnung. Voraussetzung für staatliche Kontrolle sei aber „genügend Personal“. Finanziert werden solle es über eine Gebühr von den Betrieben.

Zu viele Infos

Die privaten Kontrollstellen wehren sich dagegen. „Groß ist nicht gleich schwierig, und es gibt kleine Betriebe, die ein Riesenproblem sind“, sagt Martin Rombach, der den Kontrollstellen-Zusammenschluss KdK leitet. Der Staat solle die Inspektionen nicht übernehmen, sondern besser mit den Privaten zusammenarbeiten. Etwa wenn den Ämtern auffällt, dass eine Mühle konventionelles Futter an einen Biobauern geliefert hat.

Der Chef der Kontrollstelle Gesellschaft für Ressourcenschutz, Jochen Neuendorff, greift den Amtsleiter sogar direkt an: „Herr Bottermann lenkt vom Versagen seiner Behörde ab“, sagt Neuendorff. Sie hätte die Kontrollstellen vorwarnen können, dass Beschuldigte im Schweine-Fall sowohl konventionelle als auch Biobetriebe hatten. Deshalb können sie konventionelle Tiere besonders leicht in Biotiere umdeklarieren. Schließlich habe das Lanuv ein Register der Betriebe. „Das Ganze ist dem Fall des Nigeria-Attentäters in den USA sehr ähnlich: Es werden bergeweise behördlich Informationen gesammelt, aber die Personalkapazitäten reichen nicht aus, diese Daten systematisch auszuwerten“, so Neuendorff.

Auch der größte Ökobauernverband, Bioland, lehnt Bottermanns Vorschlag ab, die Kontrollkompetenz zu verlagern. Bioland-Sprecher Gerald Wehde meint: „Ich glaube nicht, dass der Staat der bessere Kontrolleur ist, was das Know-how angeht.“

JOST MAURIN