Hartnäckig bleiben

LEISTUNGEN Wenn die Krankenkasse die Kosten für eine Behandlung oder ein medizinisches Hilfsmittel nicht zahlen möchte, kann es sich durchaus lohnen, Widerspruch einzulegen

■ Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) berät neutral und kostenlos zu allen Gesundheitsfragen – vor Ort in bundesweit 21 regionalen Beratungsstellen – in Berlin in der Rubensstraße 84, 12157 Berlin-Schöneberg, Tel. (0 30) 85 62 918 - 10. Es gibt auch Beratungen auf Englisch und Türkisch. Tel. für die türkischsprachige Beratung: (0 30) 85 62 918 - 30. Beratungszeiten: Mo. 13.00–17.00 Uhr, Di. 10.00–12.00 und 14.00–16.00 Uhr, Mi. 12.00–14.00 Uhr, Do. 10.00–16.00 Uhr und nach Vereinbarung. Weitere UPD-Adressen und Infos unter: www.upd-online.de oder der Hotline (08 00) 0 11 77 22 (kostenfrei im deutschen Festnetz).

VON MANDY KUNSTMANN

Nasenkorrektur, Brustvergrößerung oder Elektrorollstuhl: Bei diesen Dingen winkt die Krankenkasse im Normalfall ab. Versicherte müssen die hohen Kosten dafür selbst aufbringen. Doch es geht auch anders, wie ein Blick in die Praxis zeigt. Weigert sich die Kasse, eine Operation, eine Behandlung oder ein medizinisches Hilfsmittel zu bezahlen, kann es sich für Versicherte durchaus lohnen, hartnäckig zu bleiben.

„Vor Gericht haben wir für unsere Mandanten beispielsweise schon Spezialrollstühle erstritten“, erzählt Jörg Albers, Fachanwalt für Sozialrecht in Berlin und juristischer Berater beim Deutschen Rollstuhl-Sportverband (DRS). „Die Kosten von bis zu 20.000 Euro pro Stück musste die Kasse dann übernehmen.“ Es kann also durchaus etwas bringen, wenn Betroffene bei Streit mit der Krankenkasse nicht klein beigeben.

Der Weg vors Gericht ist allerdings nicht das erste und einzige Mittel, das Betroffenen bleibt, um die Krankenkasse zum Umdenken zu bewegen. Erst einmal können sie selbst versuchen, sich gegen die negative Entscheidung zur Wehr zu setzen.

Für welche Leistungen Krankenkassen aufkommen müssen, ist nicht bis ins Detail festgelegt. Laut Gesetz haben Versicherte einen Anspruch auf eine „ausreichende, bedarfsgerechte, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechende medizinische Krankenbehandlung“. Und so fallen kosmetische Nasenkorrekturen, Brustvergrößerungen oder E-Rollstühle per Definition aus dem Leistungskatalog der Kassen heraus. Nur wenn die Maßnahme medizinisch notwendig ist, wird sie bezahlt. „Die Kasse würde zum Beispiel die Kosten für eine Korrektur einer krummen Nase übernehmen, wenn wegen der Nasenfehlstellung die Atmung eingeschränkt ist“, erläutert Athanasios Drougias, Sprecher der Barmer GEK, die Regelung. Auch wenn der Versicherte einen körperlichen Makel mit entstellendem Charakter habe, könne eine Übernahme der Kosten infrage kommen.

Bei der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) kennt man die Streitfälle. Hier melden sich regelmäßig Versicherte, die mit der Entscheidung ihrer Krankenkasse nicht einverstanden sind. „Häufig gibt es Beschwerden darüber, dass bestimmte Hilfsmittel nicht bezahlt werden“, erläutert UPD-Berater Stefan Palmowski. Es sei aber häufig so, dass sich die Kasse nicht komplett weigere, die Kosten zu übernehmen. Oftmals würden nur die Kosten für die preiswerteste, ausreichende Alternative übernommen. Anstelle eines besonders leichten Rollstuhls soll es dann eben ein Standardrollstuhl sein.

Lehnt die Krankenkasse die Übernahme der Kosten ab, erhält der Versicherte einen Bescheid. Gegen diesen kann er Widerspruch einlegen, und die Kasse muss sich erneut mit dem Begehren auseinandersetzen. „Letztendlich ist jeder Fall eine Einzelentscheidung“, sagt Claudia Widmaier, Pressereferentin des GKV-Spitzenverbandes, der Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen.

Je fundierter der Widerspruch begründet ist, desto höher stehen die Chancen auf Erfolg

Für den Widerspruch gilt: Je fundierter dieser begründet ist, desto höher stehen die Chancen auf Erfolg. „In vielen Fällen ist es sinnvoll, noch einmal mit dem Arzt zu sprechen und ihn zu bitten, ein paar untermauernde Zeilen zu schreiben“, sagt UPD-Berater Palmowski. Auch die persönliche Sichtweise des Patienten sollte im Schreiben nicht fehlen.

Manche gewiefte Kasse schickt dem Versicherten nach Erhalt des Widerrufs flugs ein zweites Schreiben hinterher. „Nach einer ersten Einschätzung denken wir, dass der Widerspruch abgelehnt wird. Wollen Sie den Widerruf nicht zurücknehmen?“, kann es dann zum Beispiel heißen. Von solchen Worten sollte man sich auf keinen Fall einschüchtern lassen. „Versicherte sollten hier hartnäckig bleiben und antworten, dass sie eine erneute Überprüfung und damit einen zweiten Widerspruchsbescheid wünschen“, empfiehlt Patientenberater Palmowski. Bei einem erneuten negativen Ergebnis, könne man im Zweifel vor das Sozialgericht ziehen. Vorschnell und ohne entsprechende Beratung – zum Beispiel durch einen UPD-Experten – sollte das allerdings nicht geschehen.

Privatpatienten müssen im Übrigen kein förmliches Widerspruchsverfahren durchlaufen, sondern können innerhalb von drei Jahren nach der ablehnenden Entscheidung Klage vor den Zivilgerichten erheben. Es sei häufig jedoch sinnvoll, der privaten Pflegeversicherung ähnlich wie bei einem Widerspruch nochmals seinen Standpunkt zu erläutern und durch ärztliche Bescheinigungen zu begründen, empfehlen Experten der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.