piwik no script img

TANIA MARTINI LEUCHTEN DER MENSCHHEITBack to Politics!

Wenn Antirassisten sich als Rassisten beschimpfen, ist das häufig ein Indiz dafür, dass Politik durch Moral ersetzt wird. So in der Auseinandersetzung um Critical Whiteness. Die Critical-Whiteness-Forschung möchte über die Privilegien sprechen, die den „people of whiteness“ aufgrund von Rassismus zukommen. So weit, so gut. Doch immer häufiger ist zu beobachten, wie aus ihr die Zementierung einer Schwarz-Weiß-Dichotomie resultiert, die über Selbstbezichtungen und Redeverbote eine „Diskurshygiene“ betreibt und in der identitätspolitischen Falle endet, wie das etwa der Soziologe Vassilis Tsianos zu Recht beklagt.

Diese Schieflage in der Critical Whiteness ist Ausdruck einer Form der Kritik, die, statt über ökonomische und politische Konstitutionsbedingungen von Rassismus zu sprechen, über moralische Anrufungen agiert.

Ein wichtiges Buch, das auf die Fallstricke der Moral aufmerksam macht, hat im Londoner Verso Verlag nun eine Neuauflage bekommen: Theodor W. Allens „The Invention of the White Race“. Allens zweibändige historische Studie über Rassismus und Kolonialsystem an der nordamerikanischen Ostküste zeigt, dass Sklaverei nicht das Ergebnis von Rassismus, sondern dass Rassismus ein Ergebnis von Sklaverei ist.

Allen legt darin die Schwächen einer psychokulturellen Deutung dar, die zu stigmatisierenden Zuschreibungen und der „Vorstellung eines immerwährenden ‚Rassenkampfes‘“ neigt, wie Jost Müller in seinem instruktiven Vorwort zur deutschen Ausgabe des ersten Bandes schreibt (ID Verlag, 1998), und analysiert stattdessen rassistische Unterdrückung als ein System sozialer Kontrolle. Andererseits lehnt Allen alle ökonomistischen Verkürzungen ab, die nicht erklären können, wie aus ökonomischem Kalkül ein System rassistischer Unterdrückung und die Vorstellung weißer Überlegenheit etabliert werden konnten. Ein Buch, das in der gegenwärtigen Debatte dringend empfohlen sei, um wieder zu antirassistischer Politik zurückkehren zu können.

Die Autorin ist Kulturredakteurin

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen