ANDRÉ LENZ, ERSATZMANN
: Stuntdouble mit Ruhepuls

■ Der gebürtige Mühlheimer spielte zuerst beim TV Asberg. Profi wurde er 1992 beim Wuppertaler SV Foto: dpa

Es war ein Tor wie ein Tortenwurf direkt ins Gesicht von André Lenz. Gegen die Unterkante der Latte klatschte Eren Derdiyoks Kopfball, sprang auf den Rasen und gegen das Knie des Wolfsburger Torhüters – und von dort ins Tor zum 2 : 0 für Gastgeber Bayer Leverkusen. Die Szene war Slapstick pur und zeigte nebenbei das Dilemma von Ersatzkeeper Lenz: Den Großteil der Saison hüpft, faustet und sitzt André Lenz im Schatten von Diego Benaglio, muss aber voll und ganz da sein, wenn dieser ausfällt.

Es gibt wenige, die diese Rolle des demütigen Vertreters beherrschen. Binnen 17 Jahren als Profi hat Lenz sie gelernt – nicht immer freiwillig. Ganz zu Beginn seiner Laufbahn war er eine ganze Weile Stammtorwart: in Wuppertal, in Aachen. 2001 wechselte er in die Bundesliga zu Energie Cottbus. Der damals 27-Jährige brauchte aber ein Jahr, um sich durchzusetzen. Als er es endlich geschafft hatte, stieg Cottbus ab.

Lenz ging zu 1860 München, zurück in den Schatten. Diesmal durfte er Simon Jentzsch Bälle zuwerfen. Nach nur einem Jahr unterschrieb er deshalb beim VfL Wolfsburg. Der VfL verpflichtete Jentzsch gleich mit, und selbst als dieser von Impresario Felix Magath Niedersachsenvervot erteilt bekam, durfte Lenz nur so lange den Stammkeeper spielen, bis mit Diego Benaglio eine neue Nummer eins verpflichtet worden war.

Und trotzdem scheint es, als hätte André Lenz in Wolfsburg doch seinen Platz gefunden: Kaum ein anderer Keeper der Liga hat die Rolle des Stuntdoubles derart kultiviert. Er hat einen gesunden Ruhepuls entwickelt, der ihn mittlerweile zum perfekten Substitut macht. Damit ist er im vergangenen Jahr immerhin Deutscher Meister geworden, ohne ein Spiel zu verlieren. Aus der Ruhe kann ihn nicht mal die erwähnte Slapstickeinlage bringen: Schlimmstenfalls sitzt Lenz im nächsten Spiel wieder auf der Bank. LUCAS VOGELSANG