Keine Windräder vor der Wartburg

Gericht entscheidet im Eilverfahren: Vor der Burg darf zunächst kein Windpark entstehen. Das Urteil im Hauptverfahren könnte zum Präzedenzfall werden. Ökologische und ökonomische Interessen stehen gegen ökologische und kulturelle

aus DresdenMICHAEL BARTSCH

Der Blick von Süden auf die mehr als 900 Jahre alte Thüringer Wartburg bei Eisenach darf vorerst nicht von Windrädern verstellt werden. Das hat das Verwaltungsgericht Meiningen in einem Eilverfahren entschieden. Eine Firma aus Husum hatte auf dem zur Gemeinde gehörenden Milmes-Berg vier 100 Meter hohe Windradkolosse mit einem Rotordurchmesser von 82 Metern errichten wollen – Kosten rund 300.000 Euro. Der Gemeindeverbund Marksuhl hatte Widerspruch gegen die Baugenehmigung eingelegt. Ein Sprecher sagte, man befürchte den Verlust des Status „Weltkulturerbe“ für die Wartburg. Um den Sachverhalt zu klären, rief Burghauptmann Günter Schuchardt die deutsche Unesco-Kommission in Bonn an. Ein Ergebnis der Prüfung durch das Welterbe-Zentrum in Paris steht noch aus.

Das Verwaltungsgericht hatte deshalb zunächst die Interessen der Windkraft, für die es nur noch wenige Vorranggebiete gebe, und der Lebensqualität für Mensch und Tier gegeneinander abzuwägen. „Das ist ein relativ ungestörtes Gebiet, das man nicht kaputt machen sollte“, sagte Richter Thomas Michel.

Bei dem Urteil habe auch die Tatsache eine Rolle gespielt, dass der geplante Bauplatz ein Fledermaus- und Vogelschutzgebiet berührt. Richter Michel wies allerdings darauf hin, dass im Eilverfahren noch viele Fragen offen geblieben sei. Die noch ausstehende Hauptverhandlung benötigt etwa ein halbes Jahr Vorbereitungszeit. Die Husumer Firma hält an ihrem Antrag fest.

Der aktuelle Streit hat eine Vorgeschichte. So hatte der regionale Planungsverband die Gemeinde Marksuhl bereits vor zehn Jahren gedrängt, den 461 Meter hohen Berg als Vorranggebiet für Windkraft auszuweisen. 1999 wurde die Wartburg in die Weltkulturerbe-Liste aufgenommen – sie ist mit der Besiedlung Thüringens, der Tannhäuser-Sage, der Bibelübersetzung Luthers und dem Wartburgfest der 1817 noch progressiven Burschenschaften verknüpft.

Der Stimmungswandel in der Gemeinde habe sich aber nicht nur unter dem Eindruck dieser Landschaftsaufwertung vollzogen, sagt Bürgermeister Manfred Trostmann. Vor allem die Erfahrungen mit den bereits errichteten vier Anlagen hätten jetzt zum Widerspruch geführt. Eine der bestehenden Anlagen ist mit einer Leistung von 1,5 Megawatt ähnlich groß wie die geplante. Anwohner fühlten sich schon durch den nur 500 Meter entfernten Park belästigt und hätten sich vehement gegen neue Windräder ausgesprochen.

„Die Weltkulturerbe-Frage verstärkt nur das öffentliche Interesse“, so Trostmann zur taz. Für das Thüringer Kultusministerium und die Unesco, die die Gerichtsentscheidung begrüßten, stand allerdings der Weltkulturerbe-Status im Vordergrund. Der stellvertretende deutsche Unesco-Generalsekretär Dieter Offenhäußer räumte jedoch ein, dass bei der Wartburg erstmals ökologische und ökonomische gegen ökologische und kulturelle Interessen stehen. „Wir sind nicht gegen Windräder und sehen die Problematik nicht ideologisch“, sagte Offenhäußer der taz. Zum Schutz des Titels „Weltkulturerbe“ sei aber besondere Sensibilität angebracht. Die Erfahrungen zeigten aber, dass sich bei solchen Abwägungsprozessen in der Regel letztlich oft der kulturelle Bonus durchsetze.