Bomben und Schulen

„Wenn unser Feind islamisches Land besetzt, wird der Dschihad zur Verpflichtung, an die jeder Moslem gebunden ist“, so bestimmt Artikel 15 in der Charta der Hamas, der Partei, die das politische Geschehen in den Palästinensergebieten in Zukunft bestimmen wird. Zu Beginn der ersten Intifada hatte sich die israelische Regierung den feindlichen Vogel selbst ins Nest gesetzt. Unter dem Einfluss der ägyptischen Muslimbrüder ließ ihr Gründer Scheich Achmed Jassin die Hamas, das arabische Initialwort für „Islamische Widerstandsbewegung“, 1987 offiziell registrieren. Sicher ist, dass Israel auf ein politisches Gegengewicht zu Arafats PLO hoffte und deshalb dem Aufkommen der Islamisten zumindest keine Hindernisse in die Wege legte. Die Ursprünge der Hamas waren nicht unbedingt militant. Den Scheich motivierte zuallererst sein soziales Engagement. Die Hamas errichtete Schulen und Kliniken. Sie sprang überall dort ein, wo die Fatah und später die palästinensische Autonomieverwaltung versagte. Schon ein Jahr nach ihrer Gründung rief die Hamas zum „Heiligen Krieg“ auf mit dem Ziel, einen islamischen Staat „vom Jordan bis zum Mittelmeer“ zu errichten. Der Kampf wurde anfangs mit Messern und Gewehren geführt, bis im April 1994, wenige Monate nach der Unterzeichnung der Osloer Prinzipienerklärung, die erste Bombe explodierte. Mit der Rückkehr der PLO-Führung aus dem Exil wurde es zeitweilig stiller um die Hamas. Arafat hatte sich in Oslo dazu verpflichtet, den militanten Widerstand unter Kontrolle zu bringen. Ende 2000, mit Beginn der zweiten Intifada, öffnete er die Knäste und ließ die radikalen Widerstandskämpfer wieder frei. Was nun folgte, sind vier Jahre blutiger Auseinandersetzungen mit Selbstmordattentaten der Hamas und den „präventiven Exekutionen“ der israelischen Militärs im Gegenzug. Jassin gehört zu den Opfern der Luftwaffe. Seinen Platz nimmt gegenwärtig Chaled Masch’al ein. Infolge des Todes von Arafat und der Wahl von Abbas zum Präsidenten einigten sich Anfang letzten Jahres die palästinensischen Fraktionen auf einen temporären Waffenstillstand, der von der Hamas weitestgehend eingehalten wird. Zum ersten Mal erwog Hamas eine Eingliederung in die PLO und nahm an lokalen Wahlen teil, bei der sie überraschend erfolgreich abschloss. SUSANNE KNAUL