: Das langsame Sterben der Bioläden
Immer mehr kleine Geschäfte in Hamburg schließen, obwohl die Nachfrage nach Bioprodukten steigt. Davon profitieren aber nur die neuen Konkurrenten: Biosupermärkte expandieren, und auch Discounter machen im Nebengeschäft auf Öko
Von Maren Klawsund Alexander Linden
Seit mehr als drei Jahren kämpft Peter Bielefeldt ums nackte Überleben. Die Kunden werden weniger, der Umsatz sinkt. „Wenn es nur die kleinen Läden wie unserer wären, mit denen man konkurrieren muss, ginge es ja noch. Aber jetzt ist auch noch ein Biodiscounter hier hergezogen, da kann ich kaum noch mithalten.“
Wie Bielefeldts „Kornmühle“ in der Eimsbütteler Weidenallee kämpfen auch andere Hamburger Naturkostläden gegen die drohende Insolvenz. Und immer öfter verlieren sie den Kampf. „Yeo-men“ in der Bahrenfelder Straße hat bereits dichtgemacht, es folgen „Esskapaden“ in der Arnkielstraße in Altona-Nord und im April die „Kornmühle“. In der Branche vollzieht sich ein Strukturwandel, von so vielen Insolvenzen ist aber nur Hamburg betroffen. Im Schanzenviertel schließen Biogeschäfte ebenso wie in Eppendorf.
Die Ursachen liegen nach Ansicht von Horst Fiedler vom Fachmagazin Biohandel zum einen in der hohen Konkurrenzdichte der Läden, zum anderen an der Ausbreitung von Ketten wie Erdkorn und Basic. Deshalb profitierten die Hamburger Bioläden so wenig vom zehnprozentigen bundesweiten Umsatzplus 2005. Der Anteil von Bionahrung am Lebensmittelmarkt sei seit 2002 von 2,1 auf 3,5 Prozent gestiegen, bestätigen auch die „Bundesverbände Naturkost Naturwaren“.
„Der Trend entwickelt sich gut“, sagt auch Bielefeldt, „nur eben ohne uns. Was früher den Tante-Emma-Läden passiert ist, kommt jetzt auf uns zu. Die Leute wollen Bionahrung, aber eben billig. Für uns bedeutet Bio aber mehr als nur günstig.“ Allerdings liegen viele Preise bei den Discountern gar nicht unter denen der Fachgeschäfte, wie eine taz-Stichprobe ergab.
Wenn sich nichts grundlegend auf dem Markt und in den Köpfen der Menschen ändere, werde es auch ihm bald an den Kragen gehen, meint Michael Voltmer von „Voltmer‘s Naturprodukte“ in der Altonaer Straße: „Die Menschen müssen wieder mehr Bewusstsein entwickeln für die Ideologie, die hinter Bioprodukten steht, sie müssen halt weg von der Geiz-ist-geil-Mentalität“, sagt er. Die „nachwachsende Spaßgeneration“, vermutet Voltmer, habe kein Interesse an gesundem Essen.
Gerade junge Leute ziehe es verstärkt zu Bioprodukten aus kontrolliertem Anbau, sagt hingegen Christian Großeholz von „Esskapaden“, bei älteren Menschen dagegen gebe es eine Hemmschwelle, einen kleinen Naturkostladen zu betreten: „Mein Vater würde ein Geschäft wie meines niemals freiwillig betreten, er mag das Persönliche nicht so gern.“
Der Trend scheint Großeholz Recht zu geben. Die Umsätze der Discounter steigen. Ihr Sortiment ist breiter als in Fachgeschäften, aber kleiner als in konventionellen Supermärkten wie Edeka, die oft mehr als 20.000 Produkte anbieten. Erdkorn bewegt sich in einem Rahmen von 1.200 bis 1.500 Produkten.
Hinzu kommt nach Ansicht der Inhaber von Bioläden die Gewohnheit der Menschen, anonym einzukaufen: „Viele Leute haben es lieber, schnell durch Regalreihen zu stürmen und sich nicht mit Gesprächen aufhalten zu müssen“, sagt Großeholz. „Sie glauben, in Bioläden stünden ideologisch verbrämte Althippies, die ihnen was von der Zerstörung der Umwelt und so vorquatschen.“
Ein weiteres Problem seien Supermarkt- und Drogerieketten wie Budnikowski, die ihr Angebot an Bioprodukten stetig ausbauen. „Beim Waschmittelkaufen nehmen sich die Leute auch gleich die Bioäpfel mit, ohne sich klar zu machen, dass da keinerlei ökologisches Konzept mehr spürbar ist“, behauptet Voltmer. Für „Budni“ seien Bioprodukte doch nur Nebengeschäft, sagt auch Bielefeldt.
Außerdem erlaube das von der grünen Ex-Verbraucherschutzministerin Renate Künast eingeführte Biosiegel es ihnen, Waren zu verkaufen, die nicht den strengeren Regeln von Biolebensmittelherstellern wie Demeter genügen. Das Siegel mache vieles gleich, was qualitativ nicht gleich sei, glauben die Kleinhändler unisono. „Die Menschen sehen das und denken: Oh, klasse, das ist Bio, das kaufe ich. Obwohl da oft 20 Prozent konventionelles Futtermittel beim Tierfutter untergemischt wurde“, erklärt Voltmer und seufzt: „Die Politik wollte uns helfen, tatsächlich hat sie uns Kleinen geschadet.“
Den Vorwurf des Siegel-Schwindels weisen die Discounter und Drogisten zurück: „Wenn herauskäme, dass wir mit schlechter Qualität arbeiten, könnten wir doch dichtmachen, das vergisst der Kunde nicht“, sagt ein Vertreter einer Biodiscount-Kette. Auf ihren Homepages werben die Billiganbieter mit der Rückkehr zur Besinnung auf biologisch-ethische Werte und gesunde Ernährung. Intern allerdings sehen sie das etwas anders: „Wir bieten auch immer mehr Parkplätze an. Die Kunden wollen keine grünen Fundamentalisten mehr als Verkäufer. Sie wollen Bio, aber das bequem und preisgünstig.“
Das Konzept des Biodiscounters wurde auch von Finanzinvestoren entdeckt. So hat die Hamburger Sparkasse (Haspa) sich über eine Beteiligungsgesellschaft mit einem Millionenbetrag bei Erdkorn eingekauft. Große Überzeugungsarbeit musste Erdkorn-Gründer und Hauptgesellschafter Thomas Hinz nicht leisten: Dem ehemaligen Aldi-Manager ist das Prinzip des straffen Kostenmanagements in Fleisch und Blut übergegangen – er hat neben der Haspa noch drei weitere Investoren für seine florierende Kette gewonnen.
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