: Bananenrepublik Deutschland
TV Böse Konzerne, üble Discounter, geizige Kunden: eine Dokumentation über das gelbe Discount-Obst („Billig. Billiger. Banane“, 23.30 Uhr, ARD)
„Tatort“, Folge 867. Der am 24. März ausgestrahlte Film hatte die beste „Tatort“-Einschaltquote seit über 20 Jahren. Rechtsmediziner Karl-Friedrich Boerne kauft Bananen, kistenweise, sie sind so noch billiger. Und wie es gelegentlich tatsächlich vorkommen soll, sind in seinen Kisten zwei Bananenspinnen aus Lateinamerika bis nach Münster gelangt. Boernes Assistentin zitiert aus der Online-Enzyklopädie, diese Tiere gelten als sehr aggressiv und hochgiftig – und seien für die meisten tödlichen Giftunfälle durch Spinnen weltweit verantwortlich …
Vielleicht war der „Tatort“, Folge 867, gerade deshalb so erfolgreich, weil er der Deutschen liebstes TV-Ermittler-Duo, die Münsteraner Boerne und Thiel, mit der Deutschen liebstem Obst vereinte. So gesehen ist mit Spannung zu verfolgen, ob auch die Dokumentation über Bananen, die die ARD heute ausstrahlt, ein für die späte Sendezeit überdurchschnittliches Zuschauerergebnis erzielen wird. Vielleicht werden aber auch besonders viele abschalten, weil sie sich den Appetit auf ihr Lieblingsobst nicht verderben lassen wollen.
Denn die Erzählung von Sarah Zierul, der Autorin der Dokumentation, geht so: Es war einmal die böse United Fruit Company, die heute so heißt wie ihre Marke, Chiquita. Die hat einst für die Bananenplantagen den Regenwald abgeholzt. Sie hat in den mittelamerikanischen Bananenrepubliken, die genau deshalb so hießen, Militärdiktaturen installiert. Sie hat umweltschädliche Pestizide versprüht, die den ausgebeuteten Arbeitern Hautkrankheiten, Unfruchtbarkeit und Krebs bescherten. Aber das war früher.
Heute lässt sich Chiquita von der Rainforest Alliance zertifizieren und hat einen sehr netten „Direktor für Unternehmensverantwortung“, den Zierul in ihrem Film gerne zu Wort kommen lässt. Ihm zuliebe breitet sie auch lieber den Mantel des Schweigens darüber, dass besagte Umweltschutzorganisation keineswegs unumstritten ist und dass Chiquita bis in die jüngste Vergangenheit kolumbianische Paramilitärs unterstützt haben soll.
Nein, die Attacken der Autorin richten sich gegen deutsche Konzerne: „Nicht mehr die Konzerne Chiquita, Dole oder Del Monte geben vor, wie es auf den Plantagen zugeht, sondern die Supermärkte.“ Aldi, Lidl, Rewe, Edeka und Metro verkaufen 85 Prozent aller Bananen in Deutschland. Aber sie verkaufen nur das, was der Kunde verlangt. Und der greift, wenn im Supermarkt neben den Biobananen die Billigbananen zu 80 Cent pro Kilogramm liegen, eben lieber zu Letzteren.
Die EU-Bananenverordnung schert sich nur um Äußerlichkeiten, zwischen 2,7 und 3,9 Zentimeter dick, mindestens 14 Zentimeter lang muss die Banane sein. Weder die Bundesregierung, die sich in einem Positionspapier ausdrücklich gegen eine Verschärfung der Spielregeln gewandt hat, noch ein Discounter gewährt der Autorin der Dokumentation ein Interview.
Und so liegt, so die Message des Films, die Verantwortung für den ganzen Schlamassel am Ende eben doch beim Verbraucher. Er ist das entscheidende letzte Glied in der Bananen-Kette. Er bestimmt mit seiner Kaufentscheidung darüber, welche Bananen in den Supermärkten ausliegen. Nach einer in der Dokumentation präsentierten Rechnung müsste der – mit jährlich 15 kg mehr als jeder andere Europäer verzehrende – Durchschnittsdeutsche nur zwischen fünf und zehn Euro mehr pro Jahr ausgeben und alle seine Bananen wären fair gehandeltes Bioobst. Und die Monokulturen in Costa Rica wären pestizidfrei, die Plantagenarbeiter besser bezahlt.
JENS MÜLLER
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