Bauwagen-Idylle in akuter Gefahr

Die Wagenburg „Schwarzer Kanal“ am Spreeufer in Mitte ist von der Räumung bedroht. Geklagt hatte die Grundstücksverwaltung eines Nachbargebäudes. Die Bezirksverwaltung Mitte befürchtet „massive Proteste“

Neben einer verwitterten Fabrikruine, an der Grenze zwischen Mitte und Kreuzberg, stehen kreuz und quer bunt bemalte Bauwagen. Dazwischen schlängeln sich vereiste Trampelpfade. Eine Katze läuft über den Platz und verschwindet hinter einem Holzstapel. Am Eingangstor des Geländes flattert ein Transparent mit der Aufschrift: „Zähne zeigen – Schwarzer Kanal bleibt!“

Der „Schwarze Kanal“ ist einer von einem guten Dutzend Wagenplätzen in Berlin. Mit seinen 15 Jahren gehört er zu den ältesten der Stadt. Mehr als 20 Menschen leben hier in ebenso vielen umgebauten Bauwagen. Vor allem im Sommer gibt es auf dem Platz kostenlose Konzerte, Queer-Varietés, Volksküchen und Kleinkunstshows mit bis zu 400 Zuschauern. Obwohl der Grundstückseigentümer und die Bezirksverwaltung keine Einwände gegen das Wohnprojekt haben, sehen sich die Bewohner jetzt durch einen Beschluss des Verwaltungsgerichts von der Räumung bedroht.

„Wir werden hier nicht freiwillig weggehen“, erklärt Luca, die schon einige Jahre auf dem Platz wohnt. Die Geschichte des Rechtsstreits um die Wagenburg ist lang. Schon einmal mussten die Bewohner unfreiwillig umziehen. Das war 2002, als das neue Ver.di-Gebäude an der Schillingbrücke errichtet wurde. Den jetzigen Platz hat ihnen die A.L.E.X. Bau GmbH, ein Tochterunternehmen der Essener Hochtief AG, überlassen. „Es gab nie Probleme mit den Leuten dort“, sagt Georg Schewior von A.L.E.X. Bau. Auch der Bezirk Mitte ist mit der derzeitigen Lösung zufrieden. Nur die Verwaltung eines Nachbargebäudes sieht das anders.

Ginge es nach der Office Grundstücksverwaltung GmbH, wäre die Wagenburg schon vor vier Jahren vertrieben worden. Die Frankfurter Firma hat 2002 beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf einstweilige Anordnung gegen das Bezirksamt Mitte veranlasst. Offizielle Begründung: Das Leben in Bauwagen entspreche nicht den baugesetzlichen Bestimmungen. Gegenüber der taz sprach ein Mitarbeiter der Office GmbH dagegen von „Geruchsbelästigungen durch Rauch“ vom Wagenplatz.

Das Gericht gab der Firma Recht. Dadurch wurde das Bezirksamt nach einigem Hin und Her gezwungen, der bisher geduldeten Wagenburg eine „Beseitigungsanordnung“ zukommen zu lassen. Eine Klage des Schwarzen Kanals e. V. gegen das Schreiben des Bezirks wurde im vergangenen Dezember abgelehnt. Letzte Chance für die Wagenburgler ist jetzt eine Klage vor dem Oberverwaltungsgericht, die der Verein am kommenden Donnerstag einreichen will. „Wir rechnen aber damit, dass der Richter unsere Klage ablehnt“, fügt Luca hinzu.

„Ich setze mich für die Wagenburg ein“, sagt die grüne Bezirksstadträtin für Stadtentwicklung, Dorothee Dubrau. Einen Ausweichplatz für den Schwarzen Kanal habe sie aber trotz jahrelanger Bemühungen nicht finden können. Bei einer Räumung befürchte sie „massive Proteste“, nicht nur aus der Wagenplatzszene. „Wir arbeiten viel mit dem Widerstand, der in der Yorckstraße entstanden ist, zusammen“, sagt Luca. JOHANNES RADKE