portrait
: Frommer Pragmatiker und Wahlsieger

Der große Sieger der palästinensischen Parlamentswahlen wirkte überzeugend, als er die Journalisten in seinem Heim im Flüchtlingslager Schati im Gaza-Streifen empfing. Dem bescheidenen Mann wird niemand Korruption vorwerfen. Die schmutzigen Hände der bisherigen Führung waren es wohl, die ihm den überragenden Erfolg am Wahltag bescherten.

Hanija dürfte der nächste Regierungschef in den Autonomiegebieten werden. Eine steile Karriere, die er in erster Linie der israelischen Regierung zu verdanken hat, die seinen früheren Chef Scheich Ahmad Jassin, Gründer der Hamas, sowie dessen Nachfolger Abdel Aziz Rantisi exekutierte. Seine Zusammenarbeit mit dem Scheich, dessen Büro er ab 1998 führte, ließ das Ansehen des frommen Muslims steigen.

Weil er Anfang vergangenen Jahres einen Waffenstillstand befürwortete, gilt er im Vergleich zu seinen ideologischen Verbündeten als Pragmatiker. Das hielt ihn allerdings nicht davon ab, im Verlauf des Wahlkampfes in der palästinensischen Tageszeitung Al-Quds zu erklären, dass „wir mit den Israelis nur mit dem Gewehr verhandeln werden“. Laut der Tageszeitung Haaretz diskutierten israelische Militärs im Frühjahr 2003 ihrerseits die Entführung Hanijas, was angeblich infolge einer US-Intervention scheiterte.

Die Nummer eins auf der nationalen Liste der Hamas begann ihre politische Karriere als Studentenführer an der Islamischen Universität in Gaza, an der er einen Abschluss in arabischer Literatur erwarb. Im Verlauf der ersten Intifada (1987–93) saß er wiederholt in israelischer Administrativhaft. Von 1992 an hatte er den Posten eines Dekans an der Islamischen Universität in Gaza inne. Als Bürochef von Scheich Yassin war er für die Kontakte zu Aktivisten im Ausland zuständig.

Den Abzug aus dem Gaza-Streifen im vergangenen August kommentierte Hanija als „Frucht der Anstrengungen der Menschen und Bewegungen – allen voran die Hamas“. Die Bewegung kündigte ihre Bereitschaft an, bei der Verwaltung des Gaza-Streifens behilflich zu sein. „Wir wollen eine Rolle im Entscheidungsprozess“, meinte Hanija. „Der Einfluss der Hamas sollte die Machtproportionen repräsentieren, die wir infolge unseres Widerstandskampfes erreicht haben.“

Schon vor Bekanntgabe des endgültigen Wahlergebnisses rief Hanija zur Errichtung einer nationalen Einheitsregierung auf. Allerdings dürften „unsere Prinzipien: Widerstand gegen die Besatzung, Jerusalem, Rückkehrrecht der Flüchtlinge und die Amnestie aller Inhaftierten“, nicht verletzt werden. Zu einem Dialog mit Israel nahm Hanija vorläufig keine Stellung.

SUSANNE KNAUL