„Auf die Polygamie verzichten“

In Bremen ist Bertin Nyemb ein Promotionsstudent in Germanistik. In seiner Heimat Kamerun krönte ihn der Stamm der Ndog Bea vor einem Monat zum bisher jüngsten König von Making-Ville. Der taz verrat „Seine Majestät“ ihre Regierungspläne

taz: Wie muss man Sie jetzt eigentlich anreden?

Bertin Nyemb, Promotionsstudent und König: Bertin reicht. Meine Untertanen sagen allerdings „Kingè“, das heißt soviel wie „Seine Majestät“ in unserer Stammessprache Bassa.

Wer sind Ihre Untertanen?

Die Ndog Bea, ein kleiner Stamm der Volksgruppe der Bassa. Die meisten von ihnen leben in meinem Heimatdorf Making-Ville im Zentrum Kameruns.

Wie verlief denn ihre Krönung?

Es war ein großes Fest, mit vielen Gästen. Zunächst gab es ein Essen mit dem Ältestenrat. Ich habe traditionelle Kleider getragen und hatte auch eine Krone. Danach gab es verschiedene Rituale und Tanzdarbietungen.

Ist der alte König gestorben?

Nein. Der alte König ist mein Onkel. Früher, da wurde die Krone nur vererbt, seit einiger Zeit aber kann sich der König noch zu Lebzeiten einen Nachfolger aussuchen. Der Tradition folgend hätte er eigentlich seinen Sohn vorschlagen müssen, aber er hatte im Traum die Eingebung, mich auszuwählen. Dies musste er dem Rat der Dorfältesten vorschlagen und die haben zugestimmt. Allerdings nur mit fünf von sechs Stimmen.

Und der Sechste?

Der fand mich zu jung. Ich bin 31 und der jüngste König in der Geschichte meines Dorfes. Ich bin aber auch der einzige, der je in Europa studiert hat. Ich denke, das war der eigentliche Grund.

Wurden Sie danach in Bremen mit protokollarischen Ehren empfangen?

Nein. Außer den Kollegen hier im AStA weiß davon in Deutschland kein Mensch.

Und in Kamerun?

Da wird der Titel in den Personalausweis eingetragen und man wird selbst in den Städten mit „Seine Majestät“ angesprochen. Auch die Studierenden werden mich so anreden, wenn ich später Hochschullehrer für Germanistik werde. Das ist nämlich mein Berufsziel.

Kamerun ist weit weg. Ist es gar kein Problem, wenn der König nie da ist?

Ein bisschen schon. Mein Onkel bleibt bis zu meiner Rückkehr geschäftsführend im Amt und bei wichtigen Angelegenheiten werde ich per Telefon zu Rate gezogen. Ich will versuchen, einmal pro Jahr dorthin zu reisen.

Treibt ein König Steuern ein?

Nein. Es gibt aber jedes Jahr eine Versammlung, bei der alle Untertanen dem König Geschenke bringen. Jeder nach seinen Möglichkeiten, meist Bananen, Fleisch oder Gemüse, manchmal auch Stoffe.

Wird denn umgekehrt von Ihnen erwartet, das Sie Geld für das Dorf beschaffen?

Natürlich. Das ist meine eigentliche Aufgabe. Der König muss für die Entwicklung des Dorfes sorgen. Mein Vorgänger hat Strom gebracht, ich will mich um Trinkwasser kümmern und darum, dass die Straße, die zu dem Dorf führt, in Ordnung gebracht wird. Im Moment ist sie während der Regenzeit unbefahrbar.

Wozu braucht man da einen König? Können die Leute das nicht selber regeln?

Viele von ihnen sind sehr arm und waren nie in der Stadt. Die meisten haben keine Ahnung, wie man einen Antrag stellt, insofern ist das schwierig.

Wo residieren Sie eigentlich hier in Deutschland?

In einer Wohnung in Walle. Da lebe ich mit meiner Frau und einer kleinen Prinzessin namens Lisa.

Es gibt also auch eine Königin?

Aber ja. Sie studiert hier in Bremen, stammt aber ebenfalls aus Kamerun. Wir haben vor meiner Krönung dort geheiratet. Das musste auch sein, denn sonst hätte ich gar nicht König werden können. Ein König muss mindestens eine Frau haben.

Mindestens?

Polygamie ist leider üblich, Könige haben immer viele Frauen. Ich habe darauf bestanden, mit nur einer Frau verheiratet zu sein. Der Ältestenrat hat bei mir eine Ausnahme gemacht, als Zugeständnis an den „neuen Geist“ aus Europa. Ein wenig hoffen sie wohl auch auf Reformen.

Und was hat der „neue Geist“ da so vor?

Die Frauenfrage ist mir sehr wichtig. Sie sind in unserer Gesellschaft stark benachteiligt. Vor allem will ich die Männer überzeugen, auf die Polygamie zu verzichten. Das wird ein harter Kampf. Anordnen kann ich das leider nicht.

Sollten wir uns hier vielleicht auch einen König zulegen?

Das würde ich nicht empfehlen. Ich finde das parlamentarische System und den Föderalismus hier eigentlich ganz gut.

Für Kamerun aber nicht?

Naja, in den Städten gibt es natürlich keinen König sondern Stadträte und Wahlen, da ist alles wie hier. Aber auf dem Land halten die Leute eben gern an ihren Traditionen fest.

Interview: Christian Jakob