Ade, Haute Couture

Kritik an Billigproduktion trifft auf Lob des Marketings: Die Designerin Elisabeth Prantner und die Künstlerin Swetlana Heger durchleuchten in der Ausstellung „In der Sprache der Mode“ im Haus am Waldsee die Mechanismen der Modeökonomie

von TIMO H. GRAU

Wie bei einer Massenkundgebung zu Zeiten Mao Tse-tungs marschieren jugendliche Asiaten über die Leinwand. Im Einheitsdress der kommunistischen Bauernuniform schwenken sie mit erhobenem Haupt die Maobibel. In der anderen Hand halten die vermeintlichen Revolutionäre edle Haute Couture, die aus billig produzierten „Hennes und Mauritz“-T-Shirts zusammengesetzt ist: „Boat People“ nennt die Modedesignerin Elisabeth Prantner ihr jüngstes Kunstwerk, mit dem sie die Billigproduktionen an Bord von Textildampfern thematisiert.

Die Kritik der Österreicherin gilt Produktionsverhältnissen in rechtsfreien Räumen, in denen die Arbeiter zu Dumpinglöhnen bis zu sechzehn Stunden täglich arbeiten, um die westlichen Ladenregale der Bekleidungsketten, wie beispielsweise „Hennes und Mauritz“, zu stetig sinkenden Preisen mit Textilware zu füllen. Dabei steht Elisabeth Prantner als kritische Künstlerin im Zwiespalt mit der Modedesignerin Lisa D., die sie auch ist. In ihrem Ladenatelier in den Hackeschen Höfen recycelt die Designerin Billigprodukte in teure Outfits und platziert sich somit ans Ende der Wertschöpfungskette. Mit „In der Sprache der Mode“ im Haus am Waldsee trennt Prantner nun die kommerzielle Arbeitsweise von ihren künstlerischen Produktionen, mit denen sie das bereits obsolete Stereotyp einer glamourösen Designerwelt ad absurdum führt.

Mit dem fiktiven Label „Desaster Surfer“ hat Prantner eine programmatische Sportbekleidungsmarke erfunden, die auf einer Modemesse wie etwa „Bread and Butter“ ungern gesehen wäre. Aus synthetischem Material gefertigte Korsagen, die mit Hungerbäuchen aus Plexiglas besetzt sind, sportlich gestaltete Beinprothesen für die Opfer von Landminen oder Kopfmasken mit integriertem Stimmverstärker sind bisher keine Produkte, die in Serie gegangen sind. Trotzdem muten die Arbeiten wie Prototypen an, die just in Massenproduktion gehen könnten. Ebenso wie der funkelnde Mantel, der aus 70.000 Tablettenhülsen besteht und unter dem Label „Global Concern“ mit glamourösem Metropolitenschick vorgestellt wird. Der Schriftzug „AIDS“ hebt sich durch andersfarbige Pillen ab.

Die offene Kritik an der Modebranche resultiert bei Prantner in der Frage: „Welche Konsequenzen hat die massenhafte Produktion in der Modeökonomie?“ Finanziert werden ihre künstlerischen Antworten mit Fördermitteln aus Österreich. Mit einer völlig anderen Fragestellung, aber ebenfalls mit fremden Finanzspritzen untersucht Swetlana Heger die Position der Modekunst in der Hierarchie der Wirtschaft. Die ebenfalls aus Österreich stammende Künstlerin dient sich dem ökonomischen System perfekt an, indem sie an die Giganten der Industrie herantritt und sich ihre Arbeit finanzieren lässt. So hat sie mit der Mode- und Werbefotografin Bettina Komenda ihre Serie „Playtime“ produziert, in der Heger sich als Model in „Wolford“-Strümpfen und im Short-Dress des Luxuskonzerns Hermès räkelt. Eine ergänzende Videosequenz zeigt den Ablauf eines Mode-Shootings, in der Hauptrolle: Swetlana Heger. Im Scheinwerferlicht der Werbeästhetik promotet die Künstlerin mehr sich selbst als ein Konzept. Heger dockt erfolgreich an eine Marketingstrategie an und sieht darin das Betriebssystem Kunst mit der Realität der Wirtschaftlichkeit konfrontiert.

Kunst als Selbstpromotion

In ihrer künstlerischen Unabhängigkeit fühlt sich Heger dennoch nicht eingeschränkt: „Die Kontrolle über den Arbeitsprozess ist für mich Grundvoraussetzung“, erklärt die Österreicherin, die in ihren Arbeiten konsequent mit Skandalpotenzial spielt: Gemeinsam mit ihrem ehemaligen Freund und Kunstpartner, Plamen Dejanov, vermietete sie ihre Ausstellungsfläche bei der Gruppenschau „Dream City“ 1999 an ihre BMW-Sponsoren, die im Münchner Kunstverein mit dem flachen Werbeslogan vor einem Sternenhimmel aufwarteten: „BMW Niederlassung München“.

Im Haus am Waldsee stellt „In der Sprache der Mode“ zwei Extrempositionen gegenüber: Elisabeth Prantner, die zwar Designerin, aber auch kritische Künstlerin ist, und Swetlana Heger, die als Absolventin der Wiener Universität der Angewandten Kunst als Künstlerin zugleich als gewiefte Marketingstrategin gelten möchte. Beide Österreicherinnen arbeiten unter dem Namen (fiktiver) Labels und stellen diese Labels mit den Mitteln der Kunst in Frage. Prantner fragt nach den Konsequenzen für die von Dumpinglohn geschundenen Textilarbeiter. Heger macht sich selbst zum Produkt eines Modekonzerns und glaubt damit Vermarktungsstrategien von Kunst und Mode transparent zu machen. Man muss diesen Glauben nicht teilen.

Bis 26. 3., tgl. 10–18 Uhr, Haus am Waldsee, Argentinische Allee 30