Bio boomt weltweit

GLOBALISIERUNG Die ökologischen Anbauflächen wachsen mit der Nachfrage

VON LISA SHOEMAKER

Winterliches Frühstück anno 2010 in Berlin-Kreuzberg: Zum Espresso und Kakao aus Peru mit Zucker aus Ecuador gibt es Amaranth-Müsli (Anden) mit Bananen (Dom. Rep.), Ananas (Costa Rica), Maracuja (Madagaskar), wilden Mangos (Kamerun) und Weintrauben (Südafrika). Nur die Äpfel und die Milch kommen aus Deutschland. Aber alles öko!

Zu den über 30 Millionen Hektar, die weltweit nach ökologischen Richtlinien bewirtschaftet werden, kommen jedes Jahr zwischen 1 und 2 Millionen Hektar dazu. So wuchs allein die Fläche in Argentinien 2008 von 2,8 auf 4 Millionen Hektar. Zwar handelt es sich überwiegend um Weideland, doch auch die Anbaufläche, unter anderem für Obstplantagen, ist um 20.000 Hektar gestiegen. In China rechnet man bis 2020 mit einem Zuwachs von bis zu 50 Prozent.

Der Absatz auf dem einheimischen Markt wird hingegen im gleichen Zeitraum nur um 1 bis 2 Prozent jährlich steigen. Denn Lateinamerika, Afrika und Asien produzieren hauptsächlich für die beiden großen Märkte in Europa und Nordamerika. So gehen etwa 90 Prozent der ökologisch erzeugten Produkte Lateinamerikas in den Export. Was nicht immer unproblematisch ist. Bei Fleisch möchten die importierenden Länder beispielsweise nur Filetstücke, also alles, was als Steak verzehrt werden kann. Der Rest des Fleischs muss als konventionell auf dem einheimischen Markt verkauft werden.

Doch langsam kommt auch der einheimische Markt in Gang, expandierende internationale Supermarktketten, vor allem in urbanen Zentren zu finden, nehmen vermehrt Bioprodukte in ihr Sortiment auf, aber auch Bauernmärkte und Koops, die neben preislichen Vorteilen direkten Kontakt zum Erzeuger vermitteln, gewinnen an Bedeutung. Um auch Kleinstbauern den Anbau nach nachhaltigen Prinzipien zu ermöglichen und ihren Kunden auf lokalen Märkten Sicherheit zu bieten, fördert der Dachverband IFOAM (International Federation of Organic Agricultural Movements) weltweit Programme – PGS (Participatory Guarantee System) genannt –, in denen sich Bauern und Kooperativen gegenseitig unterstützen.

Da eine Zertifizierung nach ökologischen Standards Geld kostet und sich für Kleinbauern nicht lohnen würde, ohne Siegel ihnen aber der Zugang zum Welthandel versagt bleibt, gibt es das sogenannte ICS (Internal Control System). Es ermöglicht Landwirten, sich zu Erzeugergemeinschaften zusammenzuschließen, um ihre Produkte gemeinsam zertifizieren zu lassen und sie anschließend zu vermarkten. Etwa 70 Prozent der aus Lateinamerika exportierten Biogüter kommen aus kleinen Betrieben.

Auch in Afrika steckt die Entwicklung einheimischer Märkte noch weitgehend in den Kinderschuhen. So exportierte Uganda im letzten Jahr Biowaren im Wert von 22 Millionen US-Dollar, im Lande konsumiert wurde lediglich für 0,8 Millionen US-Dollar. In Asien hat sich in einigen Ländern bereits ein Markt für Ökoprodukte etabliert, so in Japan, Südkorea sowie in den Stadtstaaten Singapur, Hongkong und Taiwan. Hier gibt es zwar große Anbaufläche, aber nicht ausreichend Verarbeitungsbetriebe: Die Waren werden exportiert, verarbeitet und zum Teil reimportiert.

Um den Kontakt zwischen Erzeugern, Verarbeitern und Händlern zu fördern, hat die BioFach seit Jahren in Tokio (2001), Schanghai (2007) und Mumbai (2009) Ableger etabliert. Auch in Amerika bittet die BioFach seit 2003 zur Messe, im Norden nach Boston und zur BioFach América Latina nach São Paolo.

Heute werden in über 40 Ländern Kaffeebohnen nach ökologischen Richtlinien angebaut, die fast 4,5 Prozent der weltweiten Kaffeeernte ausmachen. Etwa die Hälfte dieser Produkte trägt zusätzlich noch das Fairtrade-Siegel, eine Tendenz zum Drittsiegel ist ebenfalls auszumachen: Rainforest Alliance oder Shadow Grown zum Schutz für Zugvögel.

Noch kein Siegel gibt es für die sogenannten Food Miles: für den CO2-Ausstoß, der beim Transport zum Konsumenten verursacht wird. Während neuseeländische Kiwis per Schiff in Europa anlanden, fliegen leicht verderbliche Produkte (Beeren) und solche, von denen die Verbraucher aus Geschmacksgründen erwarten, dass sie reif geerntet werden (Ananas), um die halbe Welt. Und Bio macht hier keine Ausnahme.

■ Die weltweiten Trends des ökologischen Landbaus untersucht eine Studie des Forschungsinstituts für Biologischen Landbau (FiBL): The World of Organic Agriculture 2010. Bezug: www.organic-world.net