Untergullietes Farbgeschwafel

Krimi, Psychodrama, Pulp-Fiktion, Berliner Popliteratur, verdammt bad und alles gleichzeitig: Die Musiker Almut Klotz und Rev. Christian Dabeler haben mit „Aus dem Leben des Manuel Zorn“ einen misslungenen Roman geschrieben

Man hatte es überwunden geglaubt: das Ausdrücken von Gefühlen durch Farben. Kurzzeitig war diese besonders unangenehme Form der Esoterik fälschlicherweise unter dem Stichwort „Synästhesie“ in der Medienöffentlichkeit aufgetaucht, um dann glücklicherweise wieder zu verschwinden. Dass sie ausgerechnet im ersten Roman der Berliner Musikfrau Almut Klotz bis zum totalen Überdruss eingesetzt wird, ist mehr als unangenehm. Es ist erschreckend.

„Aus dem Leben des Manuel Zorn“ erzählt, wie der Titel schon verrät, aus dem Leben des Manuel Zorn. Der und sein Alter Ego Peter Winsky fühlen in Farben: „Ja, das wird gelb, wenn nicht gar türkis werden.“ Bis man jedoch kapiert, worum es in diesem Roman respektive Leben sonst noch geht, hat man schon das halbe Buch durch. Zusammen mit Reverend Christian Dabeler, seines Zeichens Organist bei Rocko Schamoni, hat Lassie-Singers-Mitbegründerin Klotz einen dermaßen konstruierten und an den Haaren herbeigezogenen Plot erfunden, dass es einem fast schon wieder Respekt einflößt.

Die Grundidee scheint zu sein: Die ganze Doppelgängergeschichte zwischen Manuel Zorn und Peter Winsky stellt sich letztendlich als Suche nach einem Toten heraus. Also: Das Leben des Manuel Zorn gibt es gar nicht. Und das wird einem als Krimi verkauft – darüber hinaus möchte das Buch offensichtlich auch noch Psychodrama sein, Pulp-Fiktion, Berliner Popliteratur und verdammt bad. Es verfehlt jedoch jegliche dieser Intentionen. Und das liegt an dem dilettantischen Umgang seiner Autoren mit zwei für die Literatur notwendigen Instrumenten: der Sprache und der Geschichte.

Kein noch so ekliger Einfall, den Klotz und Dabeler da gehabt haben, um ihrem Buch einen spezifisch berlinerischen Arschloch-Touch zu verpassen, kommt rüber – nicht Frauen verprügeln, Türken hassen und nicht entstellte Junkies durchvögeln. Denn: Jeder wirkt auf seine Art vollkommen unmotiviert. „Manuel Zorn“ ist kein Roman, sondern ein Ausdruck emsiger Misogynie. Man muss es nicht mit Edgar Allen Poe halten, der ja bekanntlich der Meinung war, bei einer Story müsse jeder Satz auf die Pointe am Schluss hinarbeiten. Aber Beliebigkeit und Einfallschaos sind eben auch keine Basis für eine gute Geschichte.

Der Doppelgängertopos, ein Gruppenmord, Inzest, Einbruch, die Überflutung der Berliner U-Bahn, auftauchende und wieder abtauchende Tussis: alles Klischee, alles hanebüchener Unsinn. Einzig mit der „Agentur für Schlüsselszenen“ scheint so etwas wie eine zusammenhängende Idee in den ansonsten allzu flächig gehaltenen Betrachtungen der beiden zwei Unpolitischen auf: Hier werden Szenen aus dem Leben zu therapeutischen Zwecken nachgestellt – nur von zahlungskräftigen Kunden, versteht sich. Man fasst Hoffnung: Eine fast gar gesellschaftskritische Idee, vielleicht sogar die Chance, den verwirrten Knoten um Winsky-Zorn zu lösen.

Doch selbst hier scheitern Klotz und Dabeler, verpassen die annähernd dichte, anschauliche Beschreibung auch dieser Szene. Der Rückgriff auf die hippieske Psychologie gehört einfach nur mit zu dem Farbgeschwafel.

Nichts passt in „Manuel Zorn“ zusammen. Nicht die machmal ins peinlich Esoterische kippende Psychoschiene zum ansonsten Menschen hassenden Unterton, nicht der „schicke“ Orgasmus zu der „unschicken Adresse“, das Adjektiv „untergulliet“ nicht zu Berlin, zwei Musiker offensichtlich nicht zur Literatur. Kein Zweifel: Ein Buch sollte rocken beziehungsweise einen Flow haben.

Dass dieser fromme Wunsch jedoch meilenweit von der Annahme entfernt ist, dass Rock- bzw. Popmusiker Bücher schreiben können, beweist „Aus dem Leben des Manuel Zorn“. Sven Regener und Heinz Strunk haben den Sprung aus der Musik in die Literatur geschafft – weil sie ein Gefühl für Sprache haben und eine Haltung zu ihrer Umwelt.

NADJA GEER

Almut Klotz, Rev. Christian Dabeler: „Aus dem Leben des Manuel Zorn“. Ventil Verlag, Mainz 2005, 224 S., 14,90 €