Grün-rote Regierung verschleppt Akteneinsicht

BADEN-WÜRTTEMBERG Weil es an Transparenz mangelt, legen Journalisten einen Gesetzentwurf vor

„Der Verwaltung fallen immer erst die Ausnahmen ein, warum Bürger keine Akteneinsicht erhalten“

MANFRED REDELFS, VORSTANDSMITGLIED IM NETZWERK RECHERCHE

Manfred Redelfs wollte sich eigentlich schon früher zu Wort melden. Doch das Vorstandsmitglied der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche hielt sich zwei Jahre zurück. Er wollte Verständnis zeigen für die grün-rote Koalition in Baden-Württemberg. Nun aber ist seine Geduld langsam am Ende. Am Donnerstag hat Netzwerk Recherche einen eigenen Entwurf für ein Transparenzgesetz in Baden-Württemberg vorgestellt. Damit will es verstärkt Druck auf die Landesregierung ausüben, die sich solch ein Gesetz bei Regierungsantritt groß auf ihre Fahne geschrieben hatte. Doch passiert ist seitdem: nichts.

Mithilfe eines entsprechenden Gesetzes können Bürger Informationen bei der Verwaltung anfordern oder in Akten einsehen. Auf Bundesebene und in elf Bundesländern gilt bereits das Informationsfreiheitsgesetz. Baden-Württemberg jedoch gehört zusammen mit Bayern, Sachsen, Hessen und Niedersachen zu den fünf letzten Bundesländern, die solch ein Gesetz noch nicht erlassen haben.

Immer wieder hatte Redelfs nachgefragt, beim zuständigen Innenministerium, bei den Grünen. Und stets die gleichen Rechtfertigungen zu hören bekommen: „Wissen Sie, wie lange die CDU vor uns regiert hat? Es gibt so viele Baustellen …“ In Maßen könne er das nachvollziehen. Doch dass bis zum heutigen Tag noch nicht einmal ein Gesetzentwurf vorliegt, enttäusche ihn schon. „Der Zugang zu Informationen für jedermann ist die Voraussetzung für das, was sich die Landesregierung vorgenommen hat: die Beteiligung der Bürger“, sagte Redelfs der taz. Gerade den Grünen müsse das Gesetz eine Herzensangelegenheit sein. Doch die Krux: Es nützt immer hauptsächlich denen, die gerade nicht regieren.

Das Netzwerk Recherche erwartet vor allem Druck aus dem Parlament. Läge die Ausarbeitung des Gesetzes allein in den Händen der Ministerialbürokratie, so die Befürchtung, würde sich der Prozess noch ewig hinziehen und wäre das Ergebnis eher restriktiv. „Es würden dann diejenigen das Gesetz erarbeiten, denen mehr Transparenz verordnet werden soll. Doch der Verwaltung fallen immer erst die Ausnahmen ein, warum die Bürger keine Akteneinsicht erhalten sollten“, sagt Redelfs.

Im eigenen Gesetzentwurf sieht Netzwerk Recherche vor, dass Ausnahmen eng gefasst werden, damit die Behörden nicht ständig mit einer pauschalen Begründung mauern können. Die Ausnahmen dürften zudem nicht geltend gemacht werden, wenn ein öffentliches Interesse an der Information schwerer wiegt als Geheimhaltungsgründe, wie etwa ein Geschäftsgeheimnis.

Außerdem soll das Gesetz nicht nur für die Verwaltung gelten. Bürger sollen auch Akteneinsicht bei der Landesregierung und bei Unternehmen erhalten können, die Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge, etwa der Wasserversorgung, übernehmen. Bestimmte Informationen, wie etwa Subventionszahlungen über 10.000 Euro, sollen die Behörden von sich aus veröffentlichen müssen. „Die Holschuld der Bürger soll eine Bringschuld der Verwaltung werden“, sagt Redelfs. Zudem sollen die Kosten für die Antragsteller gering bleiben und die Fristen mit maximal einem Monat eng gesetzt werden.

„Das Innenministerium wird im Laufe dieses Jahres den Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz vorlegen“, sagte Minister Reinhold Gall (SPD) am Donnerstag und verwies abermals auf die vielen Aufgabe. „Das Innenministerium hat 76 Aufträge aus der Koalitionsvereinbarung abzuarbeiten, das geht natürlich nicht von heute auf morgen.“ NADINE MICHEL, Stuttgart