Die Macht der Kontrolleure aller Netze

Die frühere Regulierungsbehörde hat an Macht gewonnen. Sie wacht jetzt auch über Pipelines und Schienen

BERLIN taz ■ Ein Schönheitswettbewerb mit ungewöhnlichen Models: Vor zweieinhalb Jahren zogen zwei Herren jenseits der fünfzig durch das Land und rückten sich und ihre Behörde auf Kongressen und vor Politikern ins beste Licht. Denn beide wollten für die Regulierung der Energiebranche zuständig sein. Und sowohl Ulf Böge, Präsident des Bundeskartellamtes, als auch Matthias Kurth, Präsident der damaligen Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation (RegTP), wussten: Wer den Zuschlag erhält, bekommt viel Macht. Schließlich geht es auch um die Frage, was Strom und Gas in diesem Land kosten dürfen.

Kurth machte das Rennen und bekam zu Beginn dieses Jahres auch noch die Aufsicht über das Schienennetz der Bahn. Deshalb heißt die RegTP jetzt auch „Bundesnetzagentur“, und sie hat in der Bonner Zentrale und ihren Außenstellen mittlerweile rund 2.200 Mitarbeiter.

Auch beim Strom und Gas geht es vor allem um die Netze der großen Versorger, die kleinere Wettbewerber nutzen wollen. So wie in der Telekombranche. Der frühere Monopolist Telekom muss schon seit 1998 seine Preise von der RegTP genehmigen lassen, damit er seine marktbeherrschende Stellung nicht ausnutzt. Selbst wenn Vodafone und Co oft klagen – grundsätzlich funktioniert der Wettbewerb in der Telekombranche. Nicht zuletzt wegen des Regulierers.

Dennoch – oder gerade deshalb – wollte die Energiebranche zunächst nichts von einem Regulierer wissen. Stattdessen sollte die Frage, wer wann und zu welchen Kosten die Gas- und Hochspannungsleitungen der großen Versorger nutzen kann, durch so genannte „Verbändevereinbarungen“ – also innerhalb der Branche verhandelte Verträge – gelöst werden. Doch das funktionierte beim Strom schon nur leidlich, beim Gas gar nicht mehr. Und weil die EU-Kommission in Brüssel auf eine klare Regelung drängte und immer wieder auf die guten Erfahrungen mit Regulierungsbehörden in anderen Ländern verwies, schwenkte sogar das ansonsten sehr konzernfreundliche Bundeswirtschaftsministerium um und setzte einen Regulierer ein.

Zukünftig müssen also die Konzerne mit Kurths Mitarbeitern abstimmen, wie viel sie den Wettbewerbern für die Nutzung ihrer Transportnetze berechnen. Das macht allerdings nur etwa ein Drittel des Preises aus, den der normale Kunde bezahlen muss. Etwa ein Viertel sind für Steuern und Abgaben fällig. Der Rest fällt unter den großen Posten „Beschaffungskosten“ – und entzieht sich auch dem Zugriff der Netzagentur.

Die Macht der Behörde ist bei aller Größe also begrenzt. Will zum Beispiel ein Stromkonzern seinen Privatkunden mehr Geld für den Strom berechnen, muss er das nicht von der Agentur, sondern von Kontrollbehörden des Bundeslandes genehmigen lassen. Die Kontrolle von bestehenden Verträgen ist weiterhin Sache des Bundeskartellamtes. Und dessen Motivation hat die Niederlage im Beauty-Contest offenbar nicht geschadet. Das Bundeskartellamt hat den großen Gaslieferanten inzwischen langfristige Lieferverträge verboten. STEPHAN KOSCH