Altonaer Bahnhof soll autofrei bleiben

STADTENTWICKLUNG Eine Initiative wirbt dafür, dass eine geplante Siedlung auf dem Gleisgelände vom Blech befreit wird. Sie will die Investoren mit geringen Baukosten und hoher Lebensqualität überzeugen

Altona ist prädestiniert, da 60 Prozent der Einwohner kein Auto besitzen

Wohnen ohne Motorenlärm, ohne Parkplätze und ohne Abgase: das könnte es bald auch im Hamburger Stadtteil Altona geben. Das „Netzwerk Autofreie Mitte Altona“, bestehend aus dreizehn Baugruppen mit etwa 500 Mitgliedern, entwickelt seit zwei Jahren ein Konzept, auf 75 Hektar ehemaligen Gleisgeländes am Altonaer Bahnhof eine Wohnsiedlung zu errichten, in der kein Platz für Blechkarren ist. Es wäre das dritte Projekt dieser Art in der Hansestadt; nur ist es bisher mit geplanten 30.000 Quadratmetern Wohnfläche das größte und zudem in einem der am dichtesten besiedeltsten Stadtteile.

Seit einigen Monaten wird um die „Neue Mitte“ in Altona gerungen. Die brach liegende Fläche gehört nicht der Stadt Hamburg, sondern vier PrivateigentümerInnen, mit denen sie sich arrangieren muss. Der Bebauungsplan steht noch aus und wird wohl im Herbst öffentlich ausgelegt. Trotz der Widrigkeiten werde der neue Stadtteil allerdings „bald“ realisiert, heißt es in einer Pressemitteilung – vielleicht sogar schon dieses Jahr.

„Wir stehen auf jeden Fall in den Startlöchern“, sagt Rose Scharnowski vom „Netzwerk Autofreie Mitte Altona“. Ihr Ziel sei es, auf dem Areal bezahlbaren und umweltfreundlichen Wohnraum zu schaffen. Schon bei den Baukosten lasse sich mit einer solchen autofreien Siedlung sparen: Schließlich seien kostspielige Tiefgaragen überflüssig.

Zudem sei besonders Altona für das Projekt prädestiniert, da circa 60 Prozent der BewohnerInnen ohnehin kein Auto besäßen. Ohne Fahrzeuge sei der Weg zur Schule für Kinder sicherer und das Fußballspielen auf der Straße ohnehin. Auch gehe es um Gerechtigkeit. Scharnowski: „Warum sollen MieterInnen, die kein Auto haben, die Lasten des Lärms oder die durch die Stellplätze verursachten höheren Mietpreise tragen?“

Problematisch ist allerdings die anliegende Harkortstraße, die den Stadtteil von anderen trennt und als einzige Verbindung dient. Das Netzwerk fordert, diese verkehrszuberuhigen. Sonst drohe die Isolation. „Man könnte zum Beispiel eine 30er-Zone einführen“, sagt Scharnowski. „Denn wenn die Bewohner des autofreien Gebiets zu einer Verkehrsminderung beitragen, wäre es nur fair, wenn die passierenden Fahrzeuge Rücksicht nehmen.“

Insgesamt gehe es in einem größeren Kontext beim autofreien Wohnen stets darum, Mobilität neu zu denken. „Sie sollte nicht nur durch Autos definiert werden, sondern auch durch Fahrräder, Rollatoren oder Kinderwagen“, sagt Willi van Buggenum vom Netzwerk Autofreie Mitte Altona. „Durch den demografischen Wandel ist jetzt schon absehbar, dass wir eine altersgerechte, barrierefreie und soziale Stadtplanung brauchen.“

Fraglich sei jedoch, sagt Rose Scharnowski, ob sich das auch die Hamburger InvestorInnen klarmachten und zukünftig stärker ins autofreie Wohnen investierten. „Denn Wohnen ohne Autos: das ist Zukunftsmusik“, sagt Scharnowski.  AMADEUS ULRICH