piwik no script img

Hammond statt Hegel

DEEP FUNK Bei Großbritanniens Funkmaster Craig Charles haben sie schon einen Stein im Brett. Nun sind die Impellers für ihr einziges Deutschland-Konzert im Mojo Club zu Gast

VON KNUT HENKEL

Bücher, davon hat Glenn Fallows einmal ganze Kartons voll verschlungen. Von Berufs wegen gewissermaßen, denn der Schlacks an der Hammond-Orgel von The Impellers ist Philosoph. An der Universität von Brighton hat der Mann mit dem lustigen, irgendwie an ein Nagetier erinnernden Gesicht studiert.

Nachts aber hat er statt im Heidegger oder Hegel zu blättern lieber in abgewetzten Clubs in die Tasten gegriffen. Nicht nur in Brighton, sondern auch im benachbarten Eastbourne. Auf dieser Tour durch die Hinterzimmer der britischen Seebäder entstand schließlich vor rund fünf Jahren das neueste Aushängeschild des britischen Deep Funks: The Impellers.

Fallows alias Ed Memn ist derjenige, der der Band zunächst den schrägen Namen Ed Memn & The Forms verpasst hatte, bevor 2009 die Korrektur erfolgte. Auch für den eigentümlichen Titel „Robot Legs“ des ersten Albums zeichnet der orgelnde Philosoph verantwortlich. Kleine Verfehlungen eines verwirrten Studenten, mit denen die anderen Bandmitglieder den Songwriter gern aufziehen.

Aber Fallows ist es eben auch, der an der Gitarre oder an seiner trashigen Hammond-Orgel die Stücke der Band komponiert. Und die stehen auch bei BBC-Funkmaster Craig Charles längst hoch im Kurs. Der DJ, der auch als Dichter und Schauspieler aktiv ist, kostet für BBC vor, was an Soul, Funk und fetten Beats beim Sender so anlandet.

Und weil die Band aus Brighton da einiges zu bieten hat, bekam sie schließlich eine der begehrten Einladungen zur Live-Session. Die 10-köpfige Impellers-Crew ins kleine BBC-Studio zu zwängen, war da noch das geringste Problem. Viel schwieriger war es, nicht mit dem vor Begeisterung herumhüpfenden Radio-DJ zu kollidieren, erzählt Chris Evans-Roberts.

Er ist einer der beiden Saxofonisten der Band und hat die Audienz bei Großbritanniens Funkmaster – der Hof hält wie einst DJ-Legende John Peel – sehr genossen. Und nun begeistert die Band aus Brighton zunehmend auch Funk-FreundInnen auf dem europäischem Festland.

Die großen Funkfestivals in Europa haben sie derzeit in Visier, wollen Deutschland genauso wie Spanien erobern und danach die Clubwelt von London, verrät Sängerin „Lady“ Clair Witcher. Sie ist die Visitenkarte der Band und sorgt mit ihrer wie ein Surfbrett über den Wellen von fetten Bläsersets ihre Kurven ziehenden Stimme dafür, dass die Band auch außerhalb Südenglands wahrgenommen wird.

Denn das außergewöhnliche Organ der Lady erinnert an glorreiche Kolleginnen wie Vicki Anderson, die einst mit James Brown die Bühnen der Welt unsicher gemacht hat. Und The Impellers klingen oft so, als ob sie sich die Bläsersektion des Altmeisters ausgeborgt hätten.

In allerbester J.B.’s-Tradition sind Stücke wie „Politiks Kills People“ angelegt, neben den treibenden Bassläufen sorgen die vier Impellers-Bläser dabei für ordentlich Druck. Ein Übriges tut Bandleader Fallows mit seinen funky Gitarrenriffs, die auch aus dem Temptations-Bausatz stammen könnten.

Die Highlights sind aber vor allem jene Nummern, in denen Fallows in die Tasten seiner quäkenden Hammond-Orgel greift und wie bei „Ed Memes Super Soul Boogalootion“ ausgedehnte Ausflüge in die New Yorker Musikgeschichte unternimmt.

Aber nicht nur in der übermächtigen Funk-Geschichte der 60er und 70er wildert Fallows, sondern ist auch offen für musikalische Erneuerung. Während auf dem Debüt noch schwerer Deep Funk mit einigen grandiosen Instrumentalnummern wie „The Chang“ dominierte, ist der gerade erschienene Nachfolger „This is not a Drill“ schon deutlich vielschichtiger.

In Richtung Afrobeat und Latin hat Glenn Fallows das stilistische Spektrum nun erweitert, was auf der gerade erschienenen Single nicht zu überhören ist. Guiro und Cabasa ergänzen die Rhythmussektion bei „Do what I wanna do“ und „Lady“ Clair Witcher präsentiert sich in Hochform. Satte Beats und ihre voluminösen Röhre sorgen dafür, dass die Single sich im Mittelohr festsetzt. Ein Song, der schon allein das Eintrittsgeld wert ist, wenn die Impellers am Samstag ihr einziges Deutschland-Konzert im Mojo Club geben.

■ Sa, 8. 6., 21 Uhr, Mojo Club

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen