Gefährliche Fluten erreichen den Norden

HOCHWASSER Pegelrekord in Magdeburg. Jetzt drohen Deichbrüche. Schäden in Milliardenhöhe erwartet

Die Hamburger müssen sich keine Sorgen machen, das Elbewasser fließt in der Hansestadt rasch ab

Die verheerenden Fluten des diesjährigen Frühsommerhochwassers halten zehntausende Menschen in Deutschland, mittlerweile vor allem an der Elbe, in Atem. In Magdeburg wurde am Freitag ein neuer Pegelrekord registriert und das Hochwasser dort schwillt weiter an. Dramatisch spitzte sich die Lage in der Industriestadt Bitterfeld zu, wo Deichbrüche drohten; auch im bayrischen Deggendorf an der Donau waren Hochwassersperren gefährdet. In der Norddeutschen Tiefebene bereiten sich Menschen und Katastrophenschützer auf die heranrauschenden Fluten der Elbe vor; in Hamburg herrscht jedoch Gelassenheit. Erste Schätzungen gehen von Milliardenschäden durch die Fluten aus.

In Magdeburg erreichte der Elbepegel einen Stand von mehr als 7 Metern, mehr als bei der „Jahrhundertflut“ im Jahre 2002. Experten erwarten einen Stand von 7,40 Meter am Sonntag. Im Stadtteil Cracau mussten Klinikgebäude mit rund 400 zum Teil schwer kranken Patienten evakuiert werden.

Kritisch sind die Elbepegel auch in Dessau und im Landkreis Wittenberg. Dort wurde die Evakuierung der Stadt Elster mit gut 2.000 Einwohnern vorbereitet. In Bitterfeld drohte Wasser aus einem Tagebausee in die Stadt zu strömen. 10.000 Bewohner der Stadt wurden aufgefordert, ihre Wohnungen zu verlassen. „Die Gefahr ist als hoch einzuschätzen“, sagte der stellvertretende Landrat Bernhard Böddeker. Nahe der Saalemündung in die Elbe zwischen Halle und Magdeburg drohte ein Deich zu brechen. Das Wasser floss über den Deich, und die Feuerwehr baute eine zweite Auffanglinie zwei Kilometer weiter landeinwärts.

In Niedersachsen sind im Landkreis Lüneburg und im Wendland seit Tagen die Menschen dabei, Sandsäcke zu füllen und Deiche zu verstärken. In Hitzacker an der Elbe wurde ein Stadtteil zur Evakuierung vorbereitet. Entlastung bringt eine neue 420 Hektar große Überflutungsfläche in Lenzen im Nordwesten Brandenburgs, die als Konsequenz aus der letzten Elbeflut geschaffen wurde – die größte, aber längst nicht ausreichende Maßnahme des Hochwasserschutzes an der Elbe.

In Hamburg wird nur ein geringer Anstieg des Elbepegels erwartet. Grund ist die besondere hydrologische Situation der Hansestadt: Unterhalb des Wehres in Geesthacht verzweigt sich der Fluss rasch in mehrere Arme, und die riesigen Hafenbecken der Stadt können viel Wasser aufnehmen. Unterhalb Hamburgs hat der Fluss dann viel Platz: Die Elbe verbreitert sich trichterförmig, und die Gezeiten der Nordsee haben das Flussbett ausgewaschen, das zudem für die Containerschifffahrt ausgebaggert wurde. Alles zusammen führt dazu, dass sich die aus den Bergen kommenden Fluten rasch verteilen und ins Meer abfließen, vor allem bei Ebbe. Gefährlich für Hamburg sind hingegen Sturmfluten aus der Nordsee.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) fürchtet für die Volkswirtschaft insgesamt einen Flutschaden von mehr als 11 Milliarden Euro. RICHARD ROTHER

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