Die heilige Johanna spielt Theater

Ana Torfs sucht nach der Wahrheit – in Inquisitionsprotokollen wie auf dem Kindergeburtstag. Höhepunkt der Maskeraden: weißes Blatt vors Gesicht halten und zur Projektionsfläche werden. Zu sehen in der GAK

Was hatte die heilige Margarete an? In welcher Sprache hat sie gesprochen? Wie hat der Engel die Krone gehalten, die Johanna, die Auserwählte, küssen durfte? Absurde Fragen an eine Visionärin. Die Protokolle der Inquisition haben die Befragung der Jungfrau von Orleans stumpf festgehalten. Auf der Suche nach einer Wahrheit, die schon im Voraus feststand.

Die belgische Künstlerin Ana Torfs sucht ebenfalls gerne nach der Wahrheit. Wie unzählige Regisseure vor ihr hat sie die Verhöre Johannas um Bilder ergänzt. Porträtfotografien einer Frau mittleren Alters, markant-herbes Gesicht, große Nase, unvorteilhafter Haarschnitt im Prinz-Eisenherz-Look. Die Frau spielt Theater. Mal ergreifend zurückgenommen, mal affektiert: melancholische Denkerpose mit aufgestütztem Kinn, dann das Kinn hochgereckt als trotzige Heldin.

„Ana Torfs fragt in ihren Arbeiten, ob in der Fiktion, im Schauspiel nicht mehr Wahrheit steckt als im Dokumentarischen“, erklärt Gabriele Mackert, die die Ausstellung „Figures / Projektions 2000-2005“ in der Gesellschaft für aktuelle Kunst kuratiert hat. Torfs Fotografien, abgezogen oder als Dia-Endlosschleife projiziert, spielen mit Maskeraden und Inszenierungen. Manchmal sieht das aus wie Standbilder von einem Kindergeburtstag, manchmal wie ein Terroristenpaar auf der Flucht mit immer neuen Identitäten. In letzter Konsequenz: Ein leeres Blatt, die legendäre Tabula Rasa, vors Gesicht gehalten.

Mit den Diashows, sagt die Kuratorin, schlägt Torfs dem Diktum Jean-Luc Godards ein Schnippchen, der Film zeige 24 Mal in der Sekunde die Wahrheit. Sie verweigere dem Film einfach die Bewegung. Klar, Künstler verweigern oft alles Mögliche, das räumt Mackert ein. Aber nicht zuletzt wegen dieser Widerborstigkeit habe sie Ana Torfs in die GAK geholt. Annedore Beelte