in fußballland
: „Nehmen Sie bitte den Bus!“

CHRISTOPH BIERMANN über Mobiltelefone am Stadiontor in Kairo und einen langen Gang zur Mixed Zone

Christoph Biermann, 44, liebt Fußball und schreibt darüber.

Man kann mich als naiv verspotten, aber immerhin hatte ich die Information vom Sprecher der Afrikameisterschaft, und der hatte überzeugend behauptet, beim Auftaktspiel dürfe man keine Mobiltelefone mit ins Stadion nehmen. Sie würden am Eingang konfisziert, man bekäme eine Marke und mithilfe dieser nach Spielende sein Handy wieder zurück. Das sei zwar eine Ausnahme, die Anwesenheit von Ägyptens Staatspräsident Husni Mubarak würde dies aber notwendig machen. Gut, also deponierte ich mein Telefon im Pressezentrum. Doch als wir den Journalistenbus am Internationalen Stadion Kairo verließen, passierten wir ein halbes Dutzend Kontrollen, wo sich niemand für Handys interessierte, und ringsum telefonierten die Zuschauer so eifrig wie unbehelligt.

Vielleicht hätte ich schon da verstehen können, dass in Ägypten die Information ganz im Zeichen der Sicherheit steht. Aber ich brauchte noch einige Tage, bis ich den Zusammenhang verstanden hatte. Da wurde mir auch klar, dass es keinen Sprechchor geben kann, der unserem „Ihr könnt nach Hause fahren“ entspricht. Denn selbst wenn ihr Team bei der Afrikameisterschaft aussichtslos zurücklag, hätten die mitgereisten Fans gar nicht nach Hause fahren können, weil die Stadiontore bis zum Schlusspfiff abgeschlossen waren und man nur mit viel Glück ein Schlupfloch nach draußen fand.

Auch das diente der Sicherheit, die im ganzen Land ein großes Thema ist, weshalb traurige Polizisten einsame Kontrollposten auf Stelzenautobahnen einnehmen, wo sie bis zur nächsten Abfahrt eine halbe Stunde Fußweg entfernt sind. Dort sitzen sie so stoisch im Smog wie ihre Kollegen im Stadion, die vor allem die Spiele der Gastgeber in prächtiger Präsenz zu sichern wussten. In Dreierreihe rahmten sie die Blöcke im Stadion zum Spielfeld und an den Seiten ein, und ließen sich von nichts beeindrucken, selbst von den Libyern nicht. Die schickten eine schlechte Mannschaft und rabiate Fans, die sich beim zweiten Teil eines Doppelspieltags zu langweilen begannen. Ihr Team hatte schon gespielt und wieder verloren, das Stadion verlassen durften sie nicht, also demolierten sie ihre Kurve. Erst kamen nur Plastikflaschen zu den Ägyptern im Oberrang geflogen, dann sausten Sitzschalen hinterher. Die Stoiker mit Helm und Schild aber rührten sich nicht einmal, als auch sie ein paar Sitze in den Nacken bekamen. Wohl deshalb, weil das Zerstörungswerk der Libyer die Sicherheit nach ägyptischem Verständnis nicht gefährdete, beendeten sie es erst nach zwanzig Minuten.

Damit kein Missverständnis aufkommt: Hier soll nicht schon wieder orientalisches Durcheinander gegen angeblich westliche Effizienz ausgespielt werden. Schließlich hatten die Ägypter bessere Arbeitsbedingungen als in Europa geschaffen, bei uns wird für Pressezentren und Stadientribünen jedenfalls kein drahtloser Hochgeschwindigkeits-Internetzugang zu Verfügung gestellt. Oder Shuttlebusse von zentralen Orten der Stadt zum Stadion („Seien Sie nicht böse, morgen kommt er ganz bestimmt wieder“). Überhaupt verdanke ich der Afrikameisterschaft in Ägypten eine der bemerkenswertesten Busfahrten, die ich je unternommen habe. Als die Partie zwischen Ghana und Nigeria in Port Said am Suezkanal abgepfiffen war, wollte ich zur Mixed Zone. Diese befand sich, wie die Umkleidekabinen, nicht in der Haupttribüne, sondern in einer Kurve. Auf dem Weg dahin hielten mich aufgeregte junge Menschen auf und schoben mich zu einem wartenden Reisebus.

„Der geht zur Mixed Zone“, hieß es, und ich stieg ein. Vielleicht gab es ja Sicherheitsprobleme. Im Schritttempo fuhren wir, geleitet von einem Polizeimotorrad, entlang der Haupttribüne, bogen hinter ihr rechts ab und fuhren nun entlang einer Hintertortribüne, bogen wieder rechts ab, dort ging es entlang der Gegentribüne, dann bogen wir erneut rechts ab und fuhren hinter die Kurve mit der Umkleidekabine. Okay, zurück ging ich zu Fuß und glaubte auch den flehentlichen Rufen nicht mehr, die behaupteten: „Nehmen Sie bitte den Bus, es ist sehr weit!“ Ja klar, und am Stadiontor muss man sein Handy abgeben.