DIETER BAUMANN über LAUFEN
: Unser langer Lauf in den Iran

Unsere Soldaten sind nicht fit. Im Kongo ist es ihnen zu schwül. Höchste Zeit also, ihnen mal Beine zu machen

Vor zwei Tagen wurde ich zu einem seltsamen Treffen in einem Hotel im Bayerischen Wald eingeladen. Ich saß mit acht kreativen Köpfen an einem langen Tisch, nippte an einer Tasse Kaffee und wir tauschten Ideen aus. Ein Laptop stand am Ende des Tisches, daneben summte ein Beamer. Die Bundesregierung hatte ihrer Agentur einen Auftrag erteilt. „Wir brauchen eine groß angelegte Fitnesskampagne unserer Soldaten“, hatte der Mann aus dem Ministerium gesagt: „Angeblich belegten unsere Jungs im Fitnessranking aller EU-Staaten den letzten Platz. Die Kampagne muss so angelegt sein, dass die Öffentlichkeit nie erfährt, wie schlecht unsere Jungs drauf sind. Die Menschen haben ein Recht auf das Gefühl der Sicherheit. Gleichzeitig muss die Truppe wieder auf Vordermann gebracht werden.“

Mit dieser vagen Vorgabe saßen wir eine ganze Weile um den großen Tisch. Es passierte nichts. Als erste Idee kam uns der Kongo. Der Chef hackte einige Wörter in den Laptop, und an der Wand erschien in großen schwarzen Buchstaben: „Fit für den Kongo“. Einer am Tisch stöhnte auf: „Das hört sich ja grauenhaft an. So nach erster Gruppengegner der Nationalmannschaft.“ Dann war es wieder lange still, und es passierte nichts. „So kommen wir nicht weiter“, knurrte der Chef und löschte den Kongo mit einem Mausklick. Resigniert starrten wir nun auf die weiße Wand.

„Wie wäre es, wenn wir laufen gehen“, meinte ich. „Laufen? Sind Sie verrückt geworden?“, fuhr mich einer an. „Was glauben Sie, was wir hier machen? Urlaub? Außerdem ist es saukalt.“ – „Mag sein“, sagte ich, „aber Laufen fördert die Kreativität.“ Ich wollte mich gerade erheben, sagte der Chef: „Laufen? Das ist eine gute Idee. Da gab es doch einmal eine ganz gute Aktion? Irgendwas mit null und Marathon.“

„Von null auf 42“, verbesserte ich ihn sanft: „Die Aktion war ganz brauchbar. Alle sind durchgekommen, haben abgenommen, wurden fitter, haben gekämpft und am Ende …“ – „Sie haben gekämpft!“, unterbrach er mich. In seinem Kopf tickte es, wir konnten es fast hören. „Bei unserer PR geht es darum, dass die Öffentlichkeit zur Erkenntnis gelangt, die Mehrausgaben der Bundeswehr zur besseren Fitness sind absolut sinnvoll. Andererseits darf nicht die Frage aufkommen: Was haben die bis jetzt mit unserem Geld gemacht? Nur neue, größere Herausforderungen rechtfertigen diese Mehrausgaben. Die Studie interessiert keinen Menschen. Klar haben die in Berlin wegen des Kongos kalte Füße. Klar ist die Truppe für den Kongo nicht fit, dort ist es heiß, es ist schwül, es ist weit weg von zu Hause, aber für die Öffentlichkeit sind das keine Gründe für ein neues Fitnessprogramm.“

Er machte eine Pause. „Und der Kongo ist denen in Berlin doch völlig Schnuppe. Von null auf … wie heißt das Ding? Ach, egal. So ähnlich muss der neue Slogan unserer Truppe sein.“

„Von null auf Weltklasse“, kam eine erste Idee. „Das ist doch absolute Sportkacke“, sagte er laut. „Von null auf UN-Einsatz“, kam ein neuer Einfall. „Zu bürokratisch“, bürstete er ihn ab. „Wir brauchen ein klares Ziel für die Truppe und eine einfach Botschaft fürs Volk. Nicht die Studie, nicht der Kongo. Die Frage ist: Was hat die Merkel vor?“

„Der Iran“, warf einer trocken auf den Tisch. Es brauchte einige Sekunden, dann waren alle mit einem Male wach. Der Mann am Laptop tippte „fit für den Iran“ in den Laptop und alle starten auf die neuen Wörter.

„Da fehlt der Pfiff.“

„Schreib mal das englische Wort für: Ich laufe – I RUN“, warf einer in die Runde: „Fit für den IRun (Iran).“ „Sagenhaft! Weiter!“

„Warum nicht: In acht Wochen fit für den IRun“, meinte ich. Während die Buchstaben auf der weißen Wand erschienen, sagte einer: „Deutsche Soldaten in der Vorbereitung für den IRun.“

„Wahnsinn!“, der Chef tippte begeistert: „Jetzt brauchen wir noch einen Schirmherrn für diese Aktion, einen Coach“, sagte er und schaute mich an.

„Lasst uns einen Dauerlauf machen, da kommen die Ideen wie von selbst“, schlug ich nochmals vor. Wir waren noch keine 15 Minuten draußen, da waren wir uns in dieser Frage einig: Das kann nur Joschka Fischer.

Fragen zum Iran? kolumne@taz.de Morgen: Philipp Maußhardt über KLATSCH