Wulff mag’s grün

Ministerpräsident Wulff schwärmt für Schwarz-Grün – aber nur, wenn das Experiment anderswo stattfindet

„Die neue Liebe der CDU zu AKWs spricht gegen Schwarz-Grün“

HANNOVER taz ■ Sind sich CDU und Grüne in den vergangenen zehn Jahren näher gekommen? Diese Frage haben der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) und die Vizechefin der Grünen-Bundestagsfraktion, Krista Sager, in Hannover diskutiert. Es war eine Art persönliche Doppelbilanz: denn beide hatten sich 1995 in Hannover schon einmal öffentlich über die „Perspektiven von Schwarz-Grün“ auf Bundes- und Landesebene auseinander gesetzt. Damals war Wulff allerdings noch Oppositionsführer im niedersächsischen Landtag gewesen und Sager Bundesvorsitzende der Grünen.

Erneut war es Christian Wulff, der die schwarz-grünen Perspektiven weitaus optimistischer beurteilte als seine grüne Kontrahentin. Die Grünen müssten „sich aus der Umklammerung mit der SPD lösen und feststellen, was mit der CDU alles möglich ist“, forderte er. Der Ministerpräsident konstatierte zudem inhaltliche Annäherungen beider Parteien. So sei in der Familienpolitik die Schnittmenge zwischen CDU und Grünen „extrem“ gewachsen. Seine Diagnose: Die einstmals antiautoritären Grünen seien sehr viel konservativer geworden. Den Grünen nahe stehenden Eltern sei Wertevermittlung plötzlich wichtig.

Nach Ansicht Wulffs verbindet CDU und Grüne zudem ein gemeinsamer liberaler Grundzug. Beide sähen das Heil nicht in immer mehr Staat. Außerdem könnten schwarz-grüne Bündnisse zuweilen sogar „eine Form von Familienzusammenführung“ sein: Viele engagierte Grüne stammten aus Familien, wo sich die Eltern für die CDU in der Lokalpolitik engagiert hätten.

Doch so offen sich Wulff erneut für schwarz-grüne Koalitionen auf Landesebene zeigte – sein Werben gilt nicht für Niedersachsen. Denn in Hannover kann sich die CDU seinen Worten nach auf „eine sehr gute Zusammenarbeit mit der FDP“ verlassen. Innerhalb der kommenden zehn Jahre werde Schwarz-Grün zwar vielleicht „ganz unverhofft in einem Bundesland“ zustande kommen, so Wulff. Jedoch eher „in einem Land, wo es mit CDU und FDP nicht so gut funktioniert wie in Niedersachsen – und wo Atomkraft keine so große Rolle spielt“.

Denn da sind sich Wulff und Sager einig: Wie vor zehn Jahren stört auch heute vor allem die Atomkraft die schwarz-grüne Harmonie.

Krista Sager bezeichnete denn auch „die wieder gewonnene Liebe der CDU zur Atomkraft“ als „ein neues Hindernis“ für Koalitionen mit der CDU. Überhaupt seien schwarz-grüne Koalitionen „eher Ausnahme oder Gelegenheitsbündnisse“ und taugten mehr für die kommunale Ebene, meinte sie. Auch in der Familienpolitik sah Sager weiter Differenzen. Die CDU habe sich bislang keineswegs vom Modell der Familie mit einem Alleinverdiener verabschiedet. Sager nannte aber auch Voraussetzungen, unter denen Schwarz-Grün ihrer Auffassung nach funktionieren kann. Dazu müssten sich beide Seiten auf eine solide Haushaltspolitik verständigen, die Umweltpolitik der Grünen als Aktivposten begreifen und gemeinsam kleine Unternehmen fördern. Das gehe aber nur dort, wo die CDU großstädtisch geprägt sei. Die Gemeinsamkeiten der Grünen mit der SPD seien allerdings größer als die mit der CDU.

JÜRGEN VOGES