Neue Unruhen in der Elfenbeinküste

WAHLSTREIT Proteste gegen Auflösung von Regierung und Wahlkommission durch Präsident Gbagbo weiten sich aus. Rebellen rufen zur „Ruhe“ auf und gucken zu, wie dem Staat die Kontrolle entgleitet

BERLIN taz | Die Proteste in der Elfenbeinküste gegen die Auflösung von Regierung und Wahlkommission durch Präsident Laurent Gbagbo weiten sich aus und ergreifen allmählich das ganze Land. Gestern brannten Barrikaden in Bouaké, der größten Stadt der von Rebellen kontrollierten Nordhälfte des Landes, wo ein Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen zu Demonstrationen gegen Gbagbo aufgerufen hatte. In den nahegelegenen Orten Sakassou und Béoumi kam es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. In der Wirtschaftsmetropole Abidjan im von Gbagbo kontrollierten Südteil kam es zu vereinzelten Gewaltakten. Ein massive Polizeiaufgebot verhinderte größere Demonstrationen der zivilen Opposition.

Die Elfenbeinküste ist seit 2002 zwischen einem von Präsident Laurent Gbagbo regierten Süden und einem von Rebellen kontrollierten Norden geteilt. Ein Friedensabkommen machte im Jahr 2007 Rebellenführer Guillaume Soro zum Premierminister einer Allparteienregierung unter Präsident Gbagbo. Sie sollte freie Wahlen vorbereiten. Am Freitag letzter Woche hatte Gbagbo die Regierung und die Wahlkommission aufgelöst.

Gespräche des Premierministers zur Bildung einer neuen Regierung sind bislang ergebnislos geblieben. Die zivile Opposition verlangt die Wiedereinsetzung der Wahlkommission als Vorbedingung für ihren Eintritt in eine neues Allparteienkabinett. Gerüchte über einen möglichen Militärputsch machen derweil die Runde, und es hat Krisentreffen der hohen Generäle gegeben.

Damit entgleitet dem Staat zunehmend die ohnehin oberflächliche Kontrolle über das Land. Im Rebellengebiet wurde die staatliche Verwaltung erst vor kurzem offiziell wiederhergestellt, und sie hat die Hoheit über die Staatseinnahmen dort noch nicht wiedererlangt. Im Schatten der neuen Krise sind die Rebellen zwar nicht wieder militärisch in Aktion getreten. In einer Erklärung am Dienstagabend stellten sie sich vielmehr hinter die geltenden, von Gbagbo gebrochenen Friedensverträge und riefen zu „Ruhe und Gelassenheit“ auf. Aber sie lassen zu, dass zivile Demonstranten in Teilen ihres Gebiets die Verwaltung lahmlegen.

Am stärksten sind die Aufmärsche der zivilen Opposition im Osten des Landes nahe der Grenze zu Ghana, ein eigentlich der Gbagbo-Landeshälfte zugehöriges Gebiet. Dort haben laut Presseberichten oppositionelle Jugendgruppen faktisch die Kontrolle über mehrere Ortschaften übernommen. Ab Samstag, so sagte der Präsident des Dachverbandes der oppositionellen Jugend RJDP (Sammlung der Jugend für Demokratie und Frieden), werde man „im ganzen Land reagieren“. D.J.