Neuer Schössling im Blätterwald

Deutschlands erste genossenschaftlich organisierte Lokalzeitung geht heute in Göttingen an den Start: Wenigstens einmal pro Woche wollen ihre Redakteurinnen und Redakteure dem Monopolisten Madsack im Harz Paroli bieten

Nach fast zweijähriger Planungsphase und mehrfach verschobenem Starttermin kommt heute die neue „Göttinger Wochenzeitung“ (GWZ) mit ihrer ersten regulären Ausgabe auf den Markt. „Wir starten mit 3.000 Stück“, sagte Redakteur Jürgen Bartz gestern der taz. Das Blatt will von nun an wöchentlich auf 32 Seiten über kommunalpolitische, soziale, wissenschaftliche und kulturelle Themen aus der Region berichten. Zudem bietet die neue Zeitung einen umfangreichen Service- und Programm-Teil.

„Unser Aufmacher in der ersten Nummer ist das Thema Wohnen mit Arbeitslosengeld II“, erzählt Bartz. „Wir berichten darüber, dass die ALG II-Empfänger von den Behörden in billigere Wohnungen gedrängt werden – ohne dass es diese billigen Wohnungen gäbe.“ Ziel sei es, „eine große Lücke in der örtlichen Medienlandschaft schließen“, sagt Mit-Initiator Jens Worthmann. Die achtköpfige Redaktion werde vor allem das Spektrum von „alternativ bis links-liberal“ bedienen. „Ein Szeneblatt werden wir aber nicht.“ Mit spritzig und verständlich geschriebenen Texten, großformatigen Abbildungen und großzügigem Layout wolle sich die GWZ gleichermaßen vom „Tageszeitungseinerlei“ wie von Werbeblättern abheben.

Nach Angaben ihrer Macher ist sie die erste genossenschaftlich organisierte Lokalzeitung Deutschlands. Die Genossenschaft hat derzeit rund 300 Mitglieder, die einen oder mehrere Anteile von 100 Euro gezeichnet haben. Sie haben mit ihrer Unterschrift auch das Stimmrecht in der Genossenschaftsversammlung erworben und werden auf diese Weise Mitherausgeber der Zeitung. Bis Anfang der Woche waren 469 Anteile gezeichnet.

Die Redakteurinnen und Redakteure haben indes nicht nur vor der Genossenschaft Rechenschaft abzulegen, sie wollen sich auch einmal pro Woche in einer öffentlichen „Blattkritik“ den Fragen dem Publikum stellen. Zudem ist viel Platz für Leserbriefe eingeplant. Auch „Beteiligungsseiten“, die von Initiativen selbst gestaltet werden können, soll es geben. In den vergangenen Monaten hatte das Blatt durch mehrere kostenlose Probenummern, Stände in der Innenstadt sowie Kinospots für sich geworben. Dabei konnten die Gratisausgaben zu Themenschwerpunkten wie „Umwelt & Ernährung“ und „Kultur“ nach Ansicht professioneller Beobachter den hohen Ansprüchen nur teilweise gerecht werden. Auch an Umfang und Aktualität musste die Redaktion bei den Null-Nummern Abstriche machen.

Der Zeitungsmarkt in Göttingen wird seit Jahrzehnten von einer einzigen Zeitung bestimmt. Das „Göttinger Tageblatt“ und seine Regionalausgabe „Eichsfelder Tageblatt“ gehören zur Madsack-Verlagsgesellschaft. Die „Hessisch-Niedersächsische-Allgemeine“ des Verlegers Ippen erscheint zwar mit Göttingen-Seite, hat in der Stadt aber keine große Bedeutung. reimar paul

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