Paragraphen-Kampf um Gerechtigkeit

JUSTIZ Staatsanwaltschaft und Verteidigung verlangen Wiederaufnahmeverfahren für Mollath

MÜNCHEN taz | Auch von juristischer Seite soll die Causa Mollath neu verhandelt werden. Beim Landgericht Regensburg liegen zwei Anträge vor, das rechtskräftige Verfahren gegen Mollath vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth aus dem Jahr 2006 wieder aufzurollen. Einer stammt vom Mollaths Anwalt Gerhard Strate, der andere von der Staatsanwaltschaft Regensburg.

Strate hat Mollaths Fall erst Mitte Dezember 2012 übernommen – bislang ohne ein Honorar zu verlangen. Der Jurist versteht sich als Verteidiger eines liberalen Rechtsstaats. Mit ihm hat Mollath nun einen erfahrenen Rechtsanwalt und Strafverteidiger an der Hand. Der 63-jährige Hamburger, der auch schon als „Quälgeist der Justiz“ tituliert wurde, gilt als Spezialist für hoch komplizierte Wiederaufnahmeverfahren. Bekannt wurde er aber in den 90er-Jahren als Verteidiger von Monika Böttcher, ehemals Weimar. Nach der Verurteilung als Mörderin ihrer beiden Kinder erreichte Strate die Wiederaufnahme. Im Fall Mollath will sich Strate nicht allein auf die von Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) angewiesene Staatsanwaltschaft verlassen, sondern wurde selbst aktiv. „Dies sollte wegen der inneren Glaubwürdigkeit des Falles geschehen“, sagte er. Auch die juristischen Ansätze der beiden Wiederaufnahmegesuche unterscheiden sich.

Die Staatsanwaltschaft Regensburg führt ausschließlich „neue Tatsachen“ ins Feld, die „geeignet sind, die Richtigkeit der Urteilsgrundlagen infrage zu stellen“, um die Wiederaufnahme des Falls in ihrem Antrag Mitte März 2013 zu begründen. Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft ist zum einen das vorliegende ärztliche Attest nicht echt, das die Verletzungen beschreibt, die Mollath seiner Frau im Jahr 2001 angeblich zugefügt haben soll. Wie im Nachhinein bekannt wurde, wurde das Attest nicht von der Ärztin ausgestellt, auf die sich das Gericht berief, sondern von ihrem Sohn. Auch als Zeugin befragt wurde die Ärztin nicht. Zudem, so heißt es in dem 153 Seiten umfassenden Antrag der Staatsanwaltschaft, bestünden Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Mollaths Exfrau, die im Prozess von 2006 ohne Eid ausgesagt habe.

Mollaths Anwalt Strate indes wirft dem damaligen Vorsitzenden der 7. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth Otto Brixner, der seinen Mandanten verurteilte, in seinem Wiederaufnahmegesuch vorsätzliche Rechtsbeugung, sowie zehn sogenannte Amtspflichtverletzungen vor. „Da sind nicht nur Vorschriften anders interpretiert worden, als man das üblicherweise tut, sondern da ist auch gegen geschriebenes, gesetztes Recht verstoßen worden“, sagte Strate der taz. Mollath sei etwa nach seiner Verhaftung nicht sofort einem Richter vorgeführt worden. Beschwerden Mollaths seien nicht zur Kenntnis genommen worden. Man habe einen Pflichtverteidiger bestellt, den Mollath als befangen ablehnte.

Auch den internen Revisionsbericht der Hypovereinsbank (HBV) führt Strate als Wiederaufnahmegrund ins Feld, demzufolge sich „alle nachprüfbaren Behauptungen“ Mollaths „als zutreffend herausgestellt haben“. Eben diese Behauptungen waren vom Gericht herangezogen worden, um Mollath Wahnvorstellungen zu attestieren.

Die Entscheidung über die beiden Anträge liegt derzeit beim zuständigen Landgericht Regensburg. Das Gericht prüfe die Akten und Stellungnahmen, heißt es dort. MARLENE HALSER