800 Männer hinter hohen Mauern

Justizsenator Roger Kusch eröffnet Hochsicherheitsgefängnis in Billwerder. Opposition: Gefangenenzahlen nehmen ab, Mammutknast geht an Bedarf vorbei. Dennoch hat die Justizbehörde bereits Pläne für weiteren Haftplatzausbau

von Elke Spanner

Der kommende Montag ist für Justizsenator Roger Kusch (CDU) ein Feiertag. Er wird das neue Hochsicherheitsgefängnis in Billwerder offiziell eröffnen und feiern, dass Hamburg „erstmals über eine bedarfsgerechte Ausstattung mit Haftkapazitäten verfügt“. 803 Insassen können in sechs Gebäuden auf dem 200 Hektar großen Areal eingesperrt werden, das von einer sechs Meter hohen Mauer umschlossen ist. Damit, so Kusch, habe der CDU-Senat „das Laisser-faire vergangener Jahre beendet und im Interesse der Sicherheit der Hamburgerinnen und Hamburger einen konsequenten Vollzug in klaren Strukturen geschaffen“.

Nun gibt es darauf auch eine andere Sicht. Vor allem, dass der geschlossene Mammutknast „bedarfsgerecht“ sein soll, stellt beispielsweise der justizpolitische Sprecher der GAL-Faktion, Till Steffen, in Abrede. Der Gefängnisneubau in Billwerder war von der früheren rot-grünen Regierung ursprünglich für den offenen Strafvollzug mit rund 400 Plätzen geplant. Der Schwarz-Schill-Senat hat die Pläne 2002 umgeworfen und beschlossen, stattdessen auf der Billwerder Wiese ein Hochsicherheitsgefängnis zu bauen – und die Zahl der Plätze zu verdoppeln.

Das hatte Kusch mit einer Entwicklung der Gefangenenzahlen begründet. Doch statt der von ihm prognostizierten 3.600 Strafgefangenen in Hamburg sitzen zurzeit durchschnittlich nur 2.750 Insassen ein. Das sind deutlich weniger als noch in den Vorjahren: Ende März 2005 beispielsweise gab es in den Hamburger Knästen 5,2 Prozent weniger Strafgefangene als im Jahr zuvor. „Hamburg“, resümiert GALier Steffen, „hat nicht so viele Schwerstkriminelle, wie uns der Senator gerne glauben machen würde.“

Als „Laisser-faire“ hat Kusch dem früheren rot-grünen Senat stets vorgeworfen, dass er 651 Haftplätze im offenen Strafvollzug bereitgehalten hatte. Offene Anstalten sind weniger gesichert. Die Insassen sind dort nicht rund um die Uhr eingesperrt, sondern verlassen das Gefängnis am Tag, um einer Arbeit nachzugehen und ihren Alltag für die Zeit nach der Inhaftierung aufzubauen. Dorthin kommen Gefangene mit kurzen Freiheitsstrafen oder Insassen, die zum Ende ihrer Haftzeit hin auf das Leben in Freiheit vorbereitet werden sollen. Diese Plätze nun hat Kusch um rund 70 Prozent reduziert. Es gibt in Hamburg nur noch 178 Plätze für Männer im offenen Vollzug – obwohl rund 45 Prozent der Gefangenen eine kurze Haftstrafe von bis zu einem Jahr verbüßen, weitere 17 Prozent von bis zu zwei Jahren.

Mehr als 75 Prozent der Strafgefangenen in Hamburg, fasst GALier Steffen zusammen, sind in Hamburg nicht wegen Straftaten gegen das Leben, Körperverletzungen oder Sexualdelikten angeklagt. Und für die Verbrecher, die tatsächlich eine Gefahr für die Bevölkerung darstellen, seien bereits in den Strafanstalten in Fuhlsbüttel „ausreichend Plätze vorhanden“.

Davon unbeirrt, hält Kusch an seiner Überzeugung fest, dass Hamburg sich auf immer mehr Schwerverbrecher einzustellen habe: Im November hat er gegenüber der taz eingeräumt, bereits Pläne für einen weiteren Ausbau um 250 Plätze in Billwerder in der Schublade zu haben. „Im Moment gehen wir nicht davon aus, dass wir diese Plätze brauchen werden“, sagt Justizsprecher Carsten Grote: „Aber sollten die Gefangenenzahlen steigen, sind wir sofort handlungsfähig.“