Um dauset Gotts Wille!

Multikulti auf gut Bairisch: Das bayerische Kultusministerium will mit Hilfe eines Leitfadens den zweisprachigen Schulunterricht in Hochdeutsch und bayerischem Dialekt sicherstellen

VON KERSTIN SPECKNER

Bayerische Schüler leben seit Januar nicht mehr nur im Pisa-, sondern auch im Sprachparadies Deutschland! Während andere Länder wie Baden-Württemberg die Deutschpflicht auf dem Schulhof in Erwägung ziehen, prescht das bayerische Kultusministerium mit ganz anderen Plänen nach vorne. Die Gleichberechtigung von Heimsprache und Normsprache ist die Grundidee hinter einer etwa zweihundertseitigen Handreichung, die das Kultusministerium an alle bayerischen Schulen verschickt hat.

Multikulti von oben

Wenn man das hört, könnte man denken: A Wahnsinn! Die Bayern sind gar nicht so rückständig, wie man glaubt. Multikulti quasi von den Großkopferten angeordnet.

Wer nun Muttersprachenunterricht auf Türkisch, Russisch oder Arabisch unter den Kruzifixen bayerischer Klassenzimmer erwartet, irrt. In der bayerischen Verfassung steht nämlich, ein Ziel von Bildung sei „in der Liebe zur Heimat zur erziehen“, zur „bayerischen Heimat“ wohlgemerkt. Und in dieser Heimat spricht man vor allem Bairisch, Schwäbisch und Fränkisch. Um die Lehrer bei der Vermittlung des Dialekts und der Liebe zu Bayern zu unterstützen, liefert das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (isb) Materialien in den Dialekten der drei bayerischen Stämme.

„Um dauset Gotts Wille“ und „I verstand nix, i verstand gar nix“ kann man in einem Theaterstück in den schwäbischen Beispielen lesen. Die Beschäftigung mit dem Dialekt soll Hochdeutsch als Unterrichtssprache nicht ersetzen, sondern ein Zusatzangebot mit Filmen, Theaterstücken und Texten bieten, so der Plan des Kultusministeriums. „Es ist halt ein Stück Heimat“, sagte Harald Niemair vom bayerischen Kultusministerium der taz. „Die Schüler sollen sich auf natürliche Art und Weise mit dem beschäftigen, was zu Hause gesprochen wird. Das gehört auch zur Identität dazu.“

Die bayerischen Schüler sprechen aber zu Hause nicht nur Schwäbisch, Bairisch oder Fränkisch. In Neu-Gablonz etwa spricht man sudetendeutschen Dialekt, weil die Stadt nach dem Krieg von Sudetendeutschen gegründet wurde. Gerade unter „Zugereisten“ gibt es viele Kinder, die in ihrer Freizeit statt Schwäbisch „Kanak-Sprak“ sprechen, auch eine Spielart des Deutschen. „Kanak-Sprak“, eine Mischung aus deutschem Straßenjargon und türkischer Umgangssprache, ist durch den Autor Feridun Zaimoglu und die Kabarettisten Erkan und Stefan populär geworden. Auf „Kanak-Sprak“ gibt es allerdings – genauso wenig wie auf Egerländisch – keine isb-Unterrichtsmaterialien.

„Natürlich liegt der Fokus auf den bayerischen Hauptdialekten, aber es soll ja niemand ausgegrenzt werden“, findet Niemair. Dass etwa Oberpfälzer Schüler ihren Dialekt, der eine Abspaltung des Bairischen ist, in den Unterricht einbringen, kann er sich durchaus vorstellen.

Ob es allerdings die „Kanak- Sprak“ in die bayerischen Klassenzimmer schaffen wird, ist fraglich. Sie passt wohl nicht so ganz zu den Vorstellungen von der liebenswerten bayerischen Heimat. „Mei, das ist schon eine amüsante Erscheinung“, sagt Niedermair, der sich selbst als „großer Fan“ von Erkan und Stefan outet. „Aber eine Mundart im herkömmlichen Sinn ist das ja nicht. Und viele Migrantenkinder sprechen ja auch schon ganz gut bayerischen Dialekt.“ Zwingen wolle man niemanden, Dialekt zu sprechen. Falls diese aber doch „Kanak-Sprak“ vorziehen, gibt es laut Niemair auch dafür Möglichkeiten: „Als Theaterstückchen wäre auch Erkan-und-Stefan-Deutsch vielleicht mal ganz nett. Vom Ansatz her sind wir offen“, sagt Niemair.

Ein Blick in die Unterrichtsmaterialien auf der Homepage des isb www.isb.bayern.de weckt jedoch Zweifel an dieser vorgeblichen Offenheit: Hier dominiert eher die Heimatverbundenheit in Form der alteingesessenen Dialekte über die Idee von der sprachlichen Vielfalt – der Dialekt als Inbegriff der Menschlichkeit und Herzlichkeit der Einheimischen.

Wer sich nun dennoch nicht in Bayern zu Hause fühlt, kann dies mit einem Gedicht von Hans Schuhladen aus den fränkischen Materialien ausdrücken: „redn wia i mecht ko i nimma, redn wia i soi mog i ned. Do homs mi fuatgschickd auf schui, das i ebbs lean und iaz woas i ned wea i bi wohi i ghea.“