DIE MOHAMMED-KARIKATUREN UND DIE ISLAMISCHEN LÄNDER
: Inszenierter Volkszorn

Wo kommen eigentlich all die dänischen Flaggen her, die derzeit auf den Straßen von Gaza, Lahore und Sanaa so leidenschaftlich verbrannt werden? Dass die meisten Fahnen erst liebevoll von Hand genäht werden mussten, bevor man sie den Flammen übergeben konnte, lässt auf eine inszenierte Kampagne schließen. Die Gelegenheit ist ja auch verlockend: So einfach ist es für obskure Gruppen aus allen Ecken der islamischen Welt nicht immer, sich für einen Augenblick ins Rampenlicht zu schieben und in den Weltnachrichten Schrecken zu verbreiten. Im Fokus westlicher Kameras wird selbst aus ein paar versprengten Demonstranten vor der dänischen Botschaft in Damaskus noch der geballte Volkszorn der Massen.

Es ist nur eine Minderheit, die jetzt mit radikalen Parolen auf sich aufmerksam macht. Doch in ihrem Unmut über die dänischen Mohammed-Karikaturen kann sie doch eine Mehrheit hinter sich wissen: allerdings weniger, weil die Abbildung des Propheten nun so ein riesiger Tabubruch wäre. Vielmehr wird die beleidigende Absicht, die darin gesehen wird, als weiteres Indiz für die „Arroganz“ und Doppelmoral des Westens gesehen. Der tritt, so die verbreitete Ansicht, muslimische Befindlichkeiten am liebsten mit Füßen, sei es nun in Guantánamo oder im Irak – aber wenn ein iranischer Politiker den Holocaust leugnet, dann ist im Westen plötzlich die Empörung groß.

Viele arabische Regierungen würden die Wogen lieber heute als morgen glätten. Aber sie werden von radikalen Kräften getrieben. In vielen Ländern ist der Karikaturen-Streit zum Spielball innenpolitischer Auseinandersetzung geworden. Länder wie Syrien, Libyen und Iran haben sich dagegen aus durchsichtigen Gründen an die Spitze der Proteste gestellt, stehen sie doch selbst unter Druck.

Über den Boykott dänischer Produkte konnte man dabei noch lachen – so wie damals, als empörte Amerikaner wegen des französischen Neins zum Irakkrieg ihre Pommes Frites in „Freedom Fries“ umbenannten. Doch das die Minister von 17 arabischen Staaten diese Woche verlangt haben, Dänemark solle die Verantwortlichen bestrafen, ist nicht nur unmöglich, sondern inakzeptabel. Dann hätten die Extremisten gesiegt. DANIEL BAX