Schäfchen wollen nicht zurück

MISSBRAUCH Im Bistum Hildesheim werden weitere Vorwürfe gegen Geistliche wegen sexuellen Missbrauchs öffentlich. Experten halten die Idee für fragwürdig, dass die Opfer Beistand in der Kirche suchen sollen

Experten fordern eine von der Kirche unabhängige Anlaufstelle für die Opfer

Am gestrigen Montag veröffentlichte das Bistum Hildesheim einen weiteren Fall, bei dem einem Geistlichen sexueller Missbrauch vorgeworfen wird. Drei Menschen hätten Hinweise auf den inzwischen verstorbenen Mann gegeben, der bis Ende der 1970er Jahre als Dechant in Celle eingesetzt worden war, teilte das Bistum mit. Das Opfer des Geistlichen hatte sich bereits vor zwei Jahren gemeldet. Die damals benannten Zeugen hatten die Vorwürfe abgestritten. Nach den neuen Hinweisen hält das Bistum die Hinweise nun für begründet.

Bereits in der vergangenen Woche waren mehrere Fälle sexuellen Missbrauchs im Bistum Hildesheim bekannt geworden. Domkapitular Heinz-Günter Bongartz sagte: „Wir werden helfen und Beistand gewähren, wo wir können!“ Bongartz ist Beauftragter des Bischofs für Fragen des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Geistliche. Experten von Beratungsstellen in Niedersachen bezweifeln jedoch, dass das Hilfsangebot der Kirche bei den Betroffenen ankommt.

„Fragen Sie sich selbst, ob Sie bei der Institution Hilfe suchen würden, bei der Sie sexuelle Gewalt erfahren haben“, sagt Ursula Pfahl vom Hildesheimer Opferhilfe-Verein „Wildrose“. Es sei verständlich, wenn die Betroffenen eine unabhängige, externen Beratungsstelle forderten.

Eine Kirchen-unabhängige Anlaufstelle will auch Ulrike Hennies von der Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt in Salzgitter. Johannes Schmidt, Landesvorsitzender des Kinderschutzbundes, rät Opfern sexuellen Missbrauchs durch Geistliche ausdrücklich davon ab, bei der Kirche Hilfe zu suchen: „Die Aufarbeitung des Traumas sollte nicht in der Institution stattfinden, in der die Schutzfunktion eingebrochen ist.“

Michael Lukas, Sprecher des Bistums Hildesheim, wirbt um Vertrauen: „Wir bauen derzeit einen Arbeitskreis auf, in dem unabhängige Ansprechpartner die Mehrheit stellen sollen.“ Wann der seine Arbeit aufnimmt, ist noch unklar. LUKAS SANDER