Kuck mal, wer da spricht!

FINGERZEIG Heute demonstrieren tausende Gehörlose in Berlin für ihre Rechte. Damit die Politiker auch wissen, wer von ihnen gemeint ist: eine Auswahl prominenter Politikernamen in Gebärdensprache. Peer Steinbrück ist für eine richtige Geste noch nicht bekannt genug

VON DAVID DENK
(TEXT) UND WOLFGANG BORRS (FOTOS)

Frechheit siegt – auch und gerade in der Gebärdensprache. Gibt es etwa für Angela Merkel auch eine auf ihre Frisur anspielende Geste, so haben sich im alltäglichen Sprachgebrauch jedoch die herunterhängenden Mundwinkel der Kanzlerin durchgesetzt.

Bei Merkel reicht (zumindest deutschen) Gehörlosen dieses eine Bild, um zweifelsfrei zu wissen, wer gemeint ist. Der Ausdruck für ihren SPD-Herausforderer setzt sich hingegen (noch) aus den Zeichen für „Stein“ und „Brücke“ zusammen.

Wie unser Model Wille Felix Zante, 29, taub seit dem dritten Lebensjahr, auf dieser Seite zeigt, geht in der Gebärdenumgangssprache Eindeutigkeit vor Political Correctness. Nur die Dolmetscher des TV-Senders Phoenix wählen in ihrem Bemühen um Neutralität im Zweifel die unverfänglichere Variante.

Beim taz-Fotoshooting muss Zante, der dank eines Implantats seit zwei Jahren wieder besser hören kann, wiederholt passen. Nachschlagewerke gibt es nicht. Gebärdensprache sei dynamisch und bedarfsorientiert. „Wenn ein Politiker keine Rolle mehr spielt, gerät auch die Gebärde in Vergessenheit.“ Von der Demo verspricht sich der Student der Gebärdensprachen und Amerikanistik, aktiv in der Jugendarbeit, nicht viel. Zwar findet er die Idee gut, Gehörlose als Minderheit sichtbarer zu machen, doch hat er Sorge, dass der vage artikulierte Protest verpufft. Ärgernisse gibt es für ihn viele: miese TV-Untertitel, ein Dorftrottelimage, Bürokratiehürden. In den USA hätten Gehörlose in öffentlichen Gebäuden das Recht auf einen professionellen Dolmetscher, deutsche Ämter ziehen nur „gebärdensprachkompetente“ Mitarbeiter hinzu. „Das ist meistens eher ein schlechter Witz.“

Mitarbeit: Hanna Gersmann