Auflagen-Tief im Westen

Umstrukturierungen bei den „Ruhr Nachrichten“: Schwächt der Verleger absichtlich seine Zeitung?

Am 31. März ist Feierabend. Endgültig. Als diese Nachricht bei den Dortmunder Ruhr Nachrichten (RN) kursierte, gerieten die RedakteurInnen rasch in Aufregung. Drei Lokalteile will ihr Verleger Lambert Lensing-Wolff einstampfen, 13 RedakteurInnen sind davon betroffen. Doch offenbar ist die Schließung der defizitären Redaktionen Gladbeck, Bottrop und Gelsenkirchen nur Teil eines großen Plans.

Die Auflage der RN geht schon seit Jahren zurück, fast überall im Ruhrgebiet hinkt das Blatt der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) hinterher. Die drei Lokalausgaben, die jetzt geschlossen werden sollen, verkauften zuletzt weniger als 3.000 Exemplare. Doch Verleger Lensing-Wolff werkelt schon länger munter an einer neuen Betriebsstruktur: Bereits 2003 überführte er die Mantelredaktion in eine eigene Gesellschaft, die Westnews. Die Ressorts Kultur und Sport gehörten bisweilen nicht dazu, aber zumindest der Sport soll bald auch dorthin ausgelagert werden.

Und es geht weiter: Eine Reihe von Lokalteilen wurde kürzlich in die Media Dortmund GmbH & Co. KG überführt, der Bochumer Lokalteil gar in seinen eigenen Verlag West. Dessen Geschäftsführer ist Lutz Schumacher, früher Chef der Nachrichtenagentur ddp, seit 2005 neben Hermann Beckfeld und Wolfram Kiwit dritter Mann in der RN-Chefredaktion. Was es mit den neuen Gesellschaften auf sich hat, dazu äußert sich weder Lensing-Wolff noch Schumacher. Intern heißt es, man wolle den Bochumer Lokalteil verkaufen – abstoßen träfe es wohl besser. Der Deutsche Journalistenverband (DJV) vermutet, dass sich Lensing-Wolff auf diese Weise aus seiner sozialen Verantwortung stehlen will. Die neuen Gesellschaften schlössen sich nicht dem Zeitungsverlegerverband NRW (ZVNRW) an, der mit den Gewerkschaften jährlich die Tarifverträge aushandelt, heißt es beim DJV. Was das für die RN-Mitarbeiter bedeutet, liegt auf der Hand. Zudem sitzt Lensing-Wolff im Vorstand des ZVNRW, wo man jedoch zum Thema schweigt.

Pikant ist auch, dass Lensing-Wolff seit kurzem ausgerechnet mit dem WAZ-Konzern ein Gemeinschaftsunternehmen im Druckbereich aufbaut. Und nur drei Tage nachdem das Kartellamt der Ehe zugestimmt hat, kündigte er die Schließung der Lokalredaktionen an. „Ein Hochzeitsgeschenk an die WAZ?“, fragt der Dortmunder Medienexperte Horst Röper im DJV-Verbandsmagazin journalist.

Ein „übles Spiel“ treibe Lensing-Wolff mit seinen Mitarbeitern, sagt Röper. Niemand bei den RN äußert sich offen zur Situation – aus Angst. Freuen über den RN-Umbau kann sich die WAZ, die ihre Monopolstellung in der Region weiter ausbaut. Die Meinungsvielfalt geht dabei flöten. BORIS ROSENKRANZ