Libyens Schlägerdiplomatie setzt sich durch

GEISELAFFÄRE Einer der beiden in Libyen festsitzenden Schweizer kommt frei, der andere aber ins Gefängnis

GENF taz | Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi hat am Montag Rachid Hamdani, einen der beiden Schweizer, die er seit über 19 Monaten aus Rache für die vorübergehende Festnahme seines gewaltkriminellen Sohnes Hannibal in Genf als Geisel gehalten hatte, in die Heimat entlassen. Die zweite Geisel, Max Göldi, wurde nach massiven Drohungen Gaddafis gegen die Schweizer Botschaft in Tripolis von dort in ein Gefängnis der libyschen Hauptstadt verbracht.

Hamdani, ein schweizerisch-tunesischer Doppelstaatsbürger, erhielt am Morgen von den libyschen Behörden seinen Pass zurück und reiste auf dem Landweg nach Tunesien aus, von wo er nach Auskunft Schweizer Diplomaten heute nach Genf fliegen wird. Seit Januar hatten zwei libysche Gerichte Hamdani von den Vorwürfen illegaler wirtschaftlicher Tätigkeiten sowie Visavergehen freigesprochen. Göldi jedoch wurde Mitte Februar wegen Visavergehen zu einer viermonatigen Gefängnisstrafe verurteilt. Seitdem befand er sich wie Hamdani in der Schweizer Botschaft in Tripolis.

Am Sonntag drohte Gaddafi mit der Erstürmung der Botschaft und setzte der Schweiz ein Ultimatum zur Auslieferung Göldis bis gestern 11 Uhr. Aus Solidarität begaben sich daraufhin Botschafter und Diplomaten mehrerer EU-Vertretungen in die eidgenössische Vertretung, die in den frühen Morgenstunden von libyschen Polizisten und Soldaten umstellt wurde. Nach intensiven Verhandlungen, an den neben Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi auch die Bundesregierung beteiligt war, verließ Göldi schließlich gestern gegen Mittag „freiwillig“ das Botschaftsgebäude und wurde von Polizisten in ein Gefängnis transportiert. Sein Anwalt bereitet derzeit eine Berufung gegen Göldis Verurteilung wegen Visavergehen vor.

Gaddafi hatte die beiden Schweizer am 19. Juli 2008 in Geiselhaft genommen. Vier Tage zuvor hatte die Polizei in Genf Gaddafis Sohn Hannibal und dessen Frau in einem Luxushotel vorübergehend inhaftiert, weil sie ihre Dienstboten schwer misshandelt hatten. Nach Hinterlegung einer Kaution durfte das Ehepaar nach Libyen ausreisen. In der Folge ließ sich die Schweizer Regierung von dem libyschen Diktator zwar zu einer Entschuldigung für die Behandlung Hannibals sowie zu Entschädigungszahlungen in Millionenhöhe erpressen. Doch statt die beiden Schweizer Geiseln freizugeben, ließ Gaddafi sie unter konstruierten Vorwürfen vor Gericht stellen. Zu Weihnachten letzten Jahres schlug Hannibal seine Frau in einem Londoner Luxushotel krankenhausreif.

ANDREAS ZUMACH