LESERINNENBRIEFE
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Gerechtigkeit für Westerwelle

■ betr.: „Freie Wahl der Armut“, Kommentar von Hannes Koch,taz vom 18. 2. 10

Indirekt bestätigt Hannes Koch Herrn Westerwelle, dass Arbeit besser bezahlt werden soll als Nichtarbeit. Der Spruch aus Karlsruhe setzt nun den Standard eines „Grundrechts auf ein angemessenes Existenzminimum“: Das von Koch benannte „Lohnabstandsgebot“ ist demnach nur noch nach oben zu heben, angefangen bei den Niedrigst- und Niedriglöhnen und der Einführung von Mindestlöhnen, das Mindeste, was linke Politik durchsetzen sollte. Die tatsächliche Macht des Finanzkapitals zeigte die Finanzkrise, in der die Regierungen weltweit vor dem Geldkapital in die Knie gingen und dieses mit Schulden, die das Volk verzinsen und tilgen muss, aus der Krise zog. Noch hat das Kapital die Macht, per Geldstreik, Geldhortung, jede Konjunktur zu Fall zu bringen – erst recht Mindestlöhne einer linken Regierung einfach auf dem Papier stehen zu lassen.

Die Linke sollte die von den Liberalsozialisten geforderte Umlaufsicherung des Geldes, den Negativzins, beachten. Damit ließe sich das alte sozialistische Ziel des Rechts auf den vollen, nicht mehr durch Zinsmehrwerte gekürzten Arbeitsertrages verwirklichen und Vollbeschäftigung bei verkürzten Arbeitszeiten und vollem Lohn durchsetzen. Hartz IV und kapitalistische Mindestlöhne hätten ausgedient. Auf die Selbstachtung der Arbeitslosen brauchte Koch dann nicht mehr zu setzen und Westerwelle würde Gerechtigkeit widerfahren: Wer nicht arbeitet, erhält jetzt gar nichts, nämlich die knapp 5 Prozent der Geldaristokratie und die knapp 10 Prozent von Westerwelles Partei der höheren Besserverdiener. Sie müssten sich mit einer Verzinsung ihrer Kapitalien um null zufriedengeben. Auf dieses Niveau sinkt der Zins ab, wenn Geld nicht mehr gehortet werden kann. Dann hat das Kapital keine Macht mehr, sich gegen hohe Vermögenssteuern mit Geldstreik zu wehren. GEORG OTTO Pressesprecher von A3W-Alternative Dritter Weg und der Liberalsozialen in B ’90/Grüne

Söldner der Finanzmächtigen

■ betr.: „Elitärer Geldadel“, Leserbrief, taz vom 20. 2. 10

Thomas Seltmann bringt es in seiner inhaltsverdichteten Analyse auf den Punkt: Die Hartz-IV-Diskussion ist eine Nebelkerze. In Wirklichkeit geht es um eine atemberaubende Umverteilung von unten und Mitte nach „ganz oben“. Wir sollten die Diskussion über jene verstärken, die ohne Arbeit umfangreich von der Arbeit Geringverdienender profitieren. Und wir sollten jene enttarnen, für die „zum Wohl des Volkes“ lediglich ein Lippenbekenntnis ist und die dem entgegen sich allzu willfährig als Söldner der Finanzmächtigen engagieren. ULRICH ARTMANN, Köln

Freibeträge für Geringverdienende

■ betr.: „Westerwelle legt noch eine Schippe drauf“,taz vom 22. 2. 10

Vorschläge wie „Schnee schaufeln“ oder „Müll aufsammeln“ kommt immer von Leuten, die rundum abgesichert sind und sich selbst nicht im entferntesten vorstellen können, solche Arbeiten selbst zu tun und solche Menschen mit verachtenden Blicken strafen, anstatt anzuerkennen, wenn Arbeitslose diese Arbeiten verrichten. Westerwelle sollte sich für Freibeträge bei den Sozialabgaben für Geringverdiener einsetzen, als ständig diese gegen Arbeitslose aufzuhetzen. MARKUS MEISTER, Schauenburg

Missbrauchte Steuergelder

■ betr.: „Der Depp der Nation“, taz vom 15. 2. 10

Herr Westerwelle hält in Wahrheit die Mittelschicht für dumm! Wie sonst kann man sich erklären, dass er das Lohnabstandsgebot durch entsprechende Absenkung der SGB-II-Leistungen erreichen will, um seine wirkliche 5-Prozent-Klientel vor dem Mindestlohn für ihre Angestellten zu schützen? Und die vielzitierte Mittelschicht das Gesundheitssystem ganz überwiegend alleine finanziert, damit die „Besserverdiener“ für einen Spottpreis gesundheitlich privat besser versorgt werden können und somit nachweislich länger leben?

So sehr mich Missbrauch bei Hartz-IV-Empfängern ärgert, so ärgert es mich ungleich viel mehr, von meinen Steuergeldern so kurzsichtige, unehrliche und populistische Lobbyisten wie Westerwelle finanzieren zu müssen! Es fehlt allerorten an politischer Weitsicht und Intelligenz. ANDREA KORNAK, Ratingen

Miese Löhne für geleistete Arbeit

■ betr.: „Offen sagen, dass Armut Mist ist“, taz vom 17. 2. 10

Zurzeit wird eine Bevölkerungsgruppe stigmatisiert, die keine Lobby hat und mehrheitlich weiblich und alleinerziehend, alt oder minderjährig ist. Anstatt das in seiner ganzen menschenverachtenden Grausamkeit zu thematisieren, ergötzt man sich an sogenannten Hartz-IV-Empfängern, die, wahrscheinlich gegen Bezahlung, öffentlich in Talkshows ihre Arbeitsunwilligkeit zelebrieren. Haben Sie eigentlich schon einmal darüber nachgedacht, warum eine Friseurin oder Putzfrau sich mit Hartz IV eventuell besser stehen würde? Doch nicht, weil der Hartz-IV-Satz so üppig ist, sondern weil hier in Deutschland für geleistete Arbeit die miesesten Löhne gezahlt werden, während die Brandstifter von FDP und Union ihre Klientel mit üppigen Steuergeschenken verwöhnen. Statt 5 Prozent hätte Ver.di mindestens 15 Prozent fordern müssen, um diese Schieflage ein bissschen ins Gleichgewicht zu bringen. ANDREA WEBER, Osnabrück