Aufruf zur Verteidigung des Propheten per SMS

Wie die Demonstranten in Syrien und Libanon mobilisiert wurden, ist unklar. Wer dahinter steckt auch. Radikale Gruppen nutzen die Chance

KAIRO taz ■ Der Proteste gegen Karikaturen des Propheten Mohammed sind am Wochenende in mehreren arabischen Staaten außer Kontrolle geraten. Am Sonntag wurde das dänische Konsulat in Beirut von mehreren zehntausend Demonstranten unter den Rufen „Gott ist groß und Mohammed ist sein Prophet“ gestürmt und in Brand gesetzt. Mindesten 28 Menschen wurden verletzt. Aufgerufen zu den Protesten hatte die „Bewegung zur Verteidigung des Propheten Mohammed“, die zuvor unter dem Slogan „Nation Mohammed, wach auf“ auch außerhalb Beiruts ihre Anhänger mobilisiert hatte. Am Tag zuvor hatten tausende Demonstranten die Botschaften Dänemarks und Norwegens in Syrien gestürmt und angezündet.

Unklar bleibt, wie die Demonstranten beispielsweise in Syrien mobilisiert wurden und wer dahinter steckt. „Seit einer Woche wurden SMS verschickt, die dazu aufriefen, sich vor der dänischen Botschaft in Damaskus am Samstag zu versammeln“, sagt der syrische Journalist Jumblatt Schakai. Die Polizei habe von den Protesten gewusst, sei von deren Ausmaß allerdings vollkommen überrascht gewesen. Erstmals seien in dem Staat, dessen Regime den Säkularismus hochhält, Demonstranten mit grünen Fahnen und Koranexemplaren durch die Straßen gelaufen. Unter den Demonstranten waren zahlreiche auch nichtsyrische Studenten der Mujamma Abu al-Nour – religiöse Institute, in denen Islamisches Recht gelehrt wird.

Der Chefredakteur der Regierungszeitung Baath, Elias Murad, streitet den Vorwurf ab, das syrische Regime habe die Proteste organisiert. „Es waren keine Provokateure des Regimes, sondern vielleicht der Islamisten, die die Botschaft angezündet haben“, sagte er im arabischen Fernsehstation al-Arabia.

Das Regime in Damaskus wollte sich offensichtlich den Protesten nicht direkt in den Weg stellen. Vielleicht sah es die Demonstration auch als eine Möglichkeit an, von der UN-Untersuchung im Mordfall des libanesischen Premiers Rafik Hariri abzulenken. Die syrische Regierung wird von den UN-Ermittlern der Mittäterschaft bezichtigt.

Offensichtlich haben radikale islamistische Gruppen und die in Syrien verbotenen Muslimbrüder diesen neuen Spielraumes genutzt und die Proteste informell in die eigenen Hände genommen. Da nutze es auch nichts mehr, als das syrische Regime den Minister für religiöse Angelegenheiten, Mohammed Ziad al-Ayubi zur dänischen Botschaft schickte, der per Megaphon von einem Feuerwehrauto versuchte, die Demonstranten zu beruhigen.

Alle arabischen Regime stehen vor einem Dilemma. Zwar gefährden die Verwerfungen die für sie überlebenswichtigen Beziehungen zum Westen. Zugleich ist es aber für jedes arabische Regime eine heikle Angelegenheit, sich einem Protest entgegenzustellen, der vorgibt, den Propheten Mohammed schützen zu wollen. Aber jedes Regime, das glaubt, die Proteste in seinem Sinne lenken zu können, verbrennt sich ganz offensichtlich die Finger.

Die Proteste der letzten Tage beweisen auch, wie sehr sich die arabischen Regime mittlerweile von ihrer eigenen Bevölkerung entfernt haben und wie sehr die Islamisten die Straße kontrollieren können. Der Hamas-Wahlsieg in den palästinensischen Gebieten und die Versechsfachung der Präsenz der Muslimbrüder im ägyptischen Parlament sind nur der formelle Ausdruck ihrer politischen Stärke. Die Islamisten brauchen zur Mobilisierung kein Ministeramt und nicht einmal ein paar Abgeordnete im Parlament. Es reicht ein Handy, das zur Verteidigung des Islam aufruft.

KARIM EL-GAWHARY