Pubertät rückwärts

KÖRPER IM WANDEL Bei Frauen heißt es Menopause, bei Männern Andropause – hormonelle Veränderungen während der Wechseljahre machen beiden Geschlechtern zu schaffen

■ Das FFGZ Berlin berät zu Frauengesundheitsthemen. Tel. 213 95 97, Bamberger Str. 51, 10777 Berlin-Schöneberg, www.ffgz.de. Empfehlenswert: „Wechseljahre“, Broschüre, 8 Euro

■ pro familia Bundesverband bietet Onlineberatung rund um Sexualität/Gesundheit und auch eine gute Broschüre: „Wechseljahre“. www.profamilia.de

■ Arbeitsgemeinschaft für Klassische Akupunktur und Traditionelle Medizin (AGTCM): Informationen und Suche nach qualifizierten Praktiker/innen, www.agtcm.de

■ Europäisches Shiatsu Institut (ESI): Gibt es in unterschiedlichen Städten bundesweit, auch in Berlin, www.shiatsu.de

■ Dr. Bart Maris: Informativer Artikel zum Thema: www.fels-maris.de/Bilder/Wechseljahre-Maris.pdf (vm)

VON VERENA MÖRATH

„Ich wache nachts auf und schwitze wie in der Sauna, Decke weg, umziehen, nach fünf Minuten geht’s wieder. Durchschlafen? Das ist Vergangenheit!“, berichtet eine Frau ihrer besten Freundin. „Während der Sitzung gestern hat sich mein Kopf wie ein Feuerball angefühlt, dann kam schon der Schweißausbruch“, lamentiert die andere. Rätselfrage: Wie alt mögen diese Frauen sein? Richtig! Sie dürften zwischen Mitte 40 und Mitte 50 sein und mittendrin in den Wechseljahren. Vielleicht erleben sie gerade ihre letzte Regelblutung und verabschieden sich vom biologischen Auf und Ab ihres monatlichen hormonellen Zyklus, von Tampons und Binden und von Verhütungsmitteln. „Die Eierstöcke gehen in Frührente, während alle anderen Organe bis zum Tod weiter arbeiten“, sagt der in Krefeld praktizierende Gynäkologe Dr. Bart Maris. Eine längere Lebensphase des Umbruchs: „Es heißt ja nicht Wechselmonate, sondern ganz richtig Wechseljahre“, so der Mediziner.

Nicht bloß die Hormone

Es ist tatsächlich eine lange Zeitspanne von etwa 15 Jahren, in denen der Körper ein neues hormonelles Gleichgewicht sucht und findet, anfangs merken die meisten Frauen gar nicht viel davon. Es gibt aber auch Phasen, in denen diese Veränderungen spürbar sind als körperliche Beschwerden wie Hitzewallungen, Schwitzen, Schlafstörungen, Herzklopfen, Gewichtsprobleme, Veränderungen von Figur, Haut und Haar. Verantwortlich hierfür ist das Absinken des Östrogen- und Gestagenspiegels und der Anstieg von FSH (Follikel stimulierendes Hormon), um die Östrogenproduktion in den Eierstöcken zu steigern. Viele den Wechseljahren zugeschriebene Beschwerden wie Müdigkeit und Erschöpfung, depressive Stimmungen oder Reizbarkeit sind jedoch weniger den hormonellen Veränderungen zuzuschreiben als vielmehr dem allgemeinen Alterungsprozess.

„Ein Drittel der Frauen merkt kaum etwas, ein Drittel empfindet die Beschwerden als lästig und ein Drittel hat Beschwerden, die in ihren Augen ihre Lebensqualität mindern“, weiß Christina Sachse aus Erfahrung. Die Apothekerin und Biologin ist seit mehr als 20 Jahren beim „Feministischen Frauen Gesundheits Zentrum“ (FFGZ) in Berlin als Beraterin aktiv. „Die Wechseljahre sind wie eine Pubertät rückwärts. Viele Frauen betrachten ihre Beschwerden jetzt wie durch eine Lupe und erleben die Veränderungen dementsprechend intensiv.“ Aber auch die aktuelle Lebenssituation spiele eine Rolle. „Fühlt sich eine Frau wohl mit sich, mit ihrer Arbeit und in ihrem Körper, empfindet sie die Beschwerden als weniger belastend.“

Und was ist mit den Männern? Erleben sie auch so eine wechselhafte Zeit? Jein! „Sicherlich vollzieht sich auch bei Männern eine hormonelle Veränderung“, so Christina Sachse. Aber die Auswirkungen der allmählichen Verminderung des männlichen Sexualhormons Testosteron auf den Körper seien fließender. „Im Unterschied zu Frauen bleiben Männer bis zum Lebensende – wenn auch vermindert – zeugungsfähig. Aber auch Männer könnten Hitzewallungen, Schweißausbrüche und Schlafstörungen haben. Und natürlich verändert sich ihr Körper, ebenso wie ihre Sexualität.

Die Midlife-Crisis ist natürlich keine Männerdomäne. „Wechseljahre sind in meinen Augen eine Art biografische Krise, in der Frauen sich fragen, ob sie so weiter leben wollen wie bisher. Das ist nicht leicht auszuhalten, weil das Alte nicht mehr trägt und das Neue noch nicht greifbar ist“, ergänzt Bart Maris. Hilfreich und wichtig ist, „selbst aktiv zu werden, um gut durch die Wechseljahre zu kommen“, sagt Christina Sachse. Sie empfiehlt ratsuchenden Frauen, zum Beispiel Yoga oder andere Bewegungstherapien regelmäßig auszuüben. Eine andere Alternative ist Shiatsu.

Die alte Heilkunst aus Japan stärkt die Selbstheilungskräfte und zielt darauf, die Einheit zwischen Körper, Seele und Geist herzustellen und aufrechtzuerhalten. Mittels Drucktechniken der Finger, der Hand und der Ellenbogen wird der Fluss der Lebensenergie, im japanischen „Ki“ genannt, unterstützt. Eine wissenschaftliche Studie des Europäischen Shiatsu Instituts (ESI) in Heidelberg besagt, dass es nach acht Shiatsu-Behandlungen bei einer Mehrzahl der behandelten Frauen zu einer Besserung der klimakterischen Beschwerden kommt.

Auch Männer können Hitzewallungen, Schweißausbrüche und Schlafstörungen haben

Traditionell und natürlich

Hilfreich für viele ist mitunter die traditionelle chinesische Medizin. „Die WHO belegt beispielsweise die Wirksamkeit von Akupunktur“, erklärt Dr. Andrea Hellwig, Vorstandsmitglied in der „Arbeitsgemeinschaft für Klassische Akupunktur und Traditionelle Medizin“ und selbst Praktikerin in Berlin-Pankow. „Ich erlebe, dass vor allem die Kombination von Akupunktur und chinesischer Arzneimitteltherapie Beschwerden reduzieren.“ Gängig heute ist auch die Einnahme pflanzlicher Heilmittel. Vor allem die Silbertraubenkerze wird oft verschrieben und hat eine östrogenähnliche Wirkung. Auch Lebensmittel auf Sojabasis, Hülsenfrüchte, Leinsamen und Sonnenblumenkerne sind sogenannte Phytoöstrogene.

Eine Hormonersatztherapie, also die Einnahme von Hormonen, wird prinzipiell nur noch bei ausgeprägten Wechseljahresbeschwerden empfohlen. „Wenn, dann nur so wenig und so kurz wie möglich“, sagt Bart Maris. Aktuelle Studien würden belegen, dass Hormonersatztherapien die Risiken zu Embolien, Herzkrankheiten, Schlaganfall, Brustkrebs und Gebärmutterkrebs erhöhen.