„Die meisten Muslime hier sind laizistisch“

Salim Abdullah, Direktor des Islamarchivs in Soest, sieht keine Gefahr, dass Muslime in Deutschland sich vom Karikaturenstreit mitreißen lassen. Der Journalist fordert dennoch mehr Sensibilität gegenüber Minderheiten

taz: Herr Abdullah, haben Sie die Mohammed-Karikaturen aus Dänemark in Ihrem Soester Institut archiviert?

Salim Abdullah (lacht): Nein, ich habe sie leider nicht bekommen. Wir haben zwar ein Europaarchiv, aber wir dokumentieren hauptsächlich den Islam in Deutschland. Ich habe die Karikaturen leider auch nur im Internet gesehen.

Warum lassen sich die Muslime in Deutschland nicht aufhetzen?

Sie sind natürlich aufgebracht. Man muss aber auch sehen, dass die Karikaturen ja nicht ursprünglich in einer deutschen Zeitung erschienen sind.

....aber viele, wie die taz, haben sie nachgedruckt.

Wenn die Karikaturen aus Gründen der Berichterstattung abgedruckt werden, ist das völlig in Ordnung. Was die dänische Zeitung Jyllands-Posten getan hat, finde ich nicht in Ordnung. Pressefreiheit weiß ich zu schätzen, ich bin selbst Journalist. Aber wenn die Freiheit der Presse die Freiheit der anderen berührt, ist das ein Problem. Wenn man sich dann noch vor Augen führt, dass diese Zeitung rechtsradikal ist und Dänemark von einer rechten Regierung geführt wird, die alles dafür tut, um Fremde rauszuekeln, weiß ich, was ich von den Karikaturen zu halten habe. Außerdem ist es ein Zeichen von mangelnder Bildung, wenn man als Zeitung nicht weiß, dass Mohammed nicht abgebildet werden darf.

Aber muss sich Satire an solche Verbote halten? Die Titanic macht sich doch auch über die christliche Religion lustig.

Was die Mehrheit unter sich macht, ist mir egal. Bei Minderheiten aber muss man sensibler sein.

In den arabischen Ländern, wo jetzt Botschaften brennen, sind Muslime nicht in der Minderheit.

Dort werden die Proteste offenbar gezielt von oben angeheizt. Es ist doch komisch, dass in diesen Diktaturen die Menschen sonst nicht demonstrieren dürfen, aber das Militär jetzt nicht eingreift. Die Machthaber dort wollen damit von ihren eigenen innenpolitischen Problemen ablenken. Die Gewaltakte werden von der großen Mehrheit der in Deutschland lebenden Muslime abgelehnt.

Glauben Sie also nicht, dass dieser Protest nach Deutschland überschwappen könnte?

Ich rechne nicht damit. Das liegt ja auch daran, dass die meisten der Muslime aus der Türkei kommen. Wenn Menschen aus einem laizistischen Staat in einen säkularen Staat wie Deutschland einwandern, ist die Gefahr gering, dass sie sich aufhetzen lassen. Die Muslime hier sind zwar aufgeregt, aber sie bleiben ruhig.

Aber gibt es nicht unter den Muslimen hier eine verstärkte Hinwendung zum Islam?

Das sind doch Minderheiten. Die Moscheen in Deutschland haben übrigens die gleichen Nachwuchsprobleme wie die Kirchen: Unter den Moscheebesuchern sind nur noch etwa 20 Prozent Jugendliche.

INTERVIEW: NATALIE WIESMANN